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Sexismus als öffentliches Interesse

Münchener Amtsgericht verhängt Geldstrafen gegen vier StudentInnen wegen Besprühens eines frauenfeindlichen Werbeplakats / Staatsanwalt sah öffentliches Interesse an der Strafverfolgung  ■  Aus München Luitgard Koch

StudentInnen aus München wurden gestern vom Amtsgericht zu Geldstrafen verurteilt, weil sie ein frauenfeindliches Werbeplakat besprüht haben sollen. In angespannnter Atmosphäre, immer wieder drohte der Richter mit dem Abbruch der Verhandlung und ließ kurzfristig den vollbesetzten Saal räumen, wurde gegen die zwei jungen Frauen und zwei Studenten verhandelt. Sie sollen im Februar diesen Jahres ein Plakat des Münchner Boulevardblatts 'Abendzeitung‘ (AZ) mit der Aufschrift „Frauenverachtung erhöht die Auflagen“ besprüht haben. Das Plakat, auf dem eine Frau in eindeutiger Pose prangte, warb wochenlang für die Serie der AZ „Liebe per Kleinanzeige“. Richter Eduard Meyer schloß sich der Forderung des Staatsanwalts Wolfgang Sipper an und verurteilte die beiden Frauen und den 22jährigen MichaelB. zu einer Geldstrafe von jeweils 300 Mark. Die Strafe für den 26jährige Stephan G. erhöhte er, da dieser schon einmal wegen Sachbeschädigung verurteilt wurde, auf 1.050 Mark.

Der Sachwert des beschädigten AZ-Plakats beträgt dagegen 27 Mark. Doch darum ging es in dem Prozeß am Ende nicht mehr. Der Werbeleiter der AZ hatte zwar Strafantrag gestellt, aber die AZ war längst nicht mehr Eigentümer des Plakats. Als die Angeklagten und ihre Verteidigerin Anne Gaugel auf diesen Umstand hinwiesen, erklärte Staatsanwalt Sipper sogleich das „öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“. Nach Paragraph303 soll Sachbeschädigung nur in Ausnahmefällen ohne Strafantrag des Geschädigten verfolgt werden. „Die Staatsanwaltschaft hat damit diese Frauenverachtung und Sexismus unter ein öffentliches Interesse subsumiert“, stellte MichaelB. fest. Aber Staatsanwalt Sipper ließ sich davon nicht beirren. In seinem Plädoyer zog er sogar die Freiheitsstrafe in Erwägung. Zwar sei es auch seiner Meinung nach „nicht zu begrüßen, daß auf solche Weise Werbung betrieben wird, andererseits könne dagegen nur durch eine Verschärfung der Gesetze etwas unternommen werden“. Die Ausführung der Münchner Frauenbeauftragten Friedel Schreyögg, daß hier Frauen wieder in das alte Denkschema Madonna oder Hure gepreßt werden, beeindruckten ihn wenig. Vielmehr warb er um Verständnis für die „armen Männer, die sich eine Frau kaufen müssen“.

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