: Zeffirellis Evangelium
■ Was Franco Zeffirelli zu seinem neuen Film „Der junge Toscanini“, zu Scorsese und den Juden in Hollywood zu sagen hat, kann einem schon die Sprache verschlagen. Marcia Pally sprach in Venedig mit dem Regisseur
Bei der Premiere von Zeffirellis Der junge Toscanini auf dem Filmfestival in Venedig ging es zu wie bei einem Popkonzert. Die Peinlichkeit des Jahrzehnts - in den Hauptrollen Elizabeth Taylor und C.Thomas Howell (der Junge aus L.A., der sein Debut in E.T. gab und zur Zeit seinen britischen Akzent verbessert - veranlaßte das Publikum zu enthusiastischem Gegröle.
Zeffirelli wollte seinen Film über Toscaninis Dirigentendebut im Alter von 18 Jahren ernst genommen wissen. Das Gegenteil war der Fall. Der junge Toscanini ist ein Klassiker unfreiwilliger Komik geworden, mehr noch als Gothic. Die Dialoge haben die Qualität eines Opernlibrettos.
Was die Sache für das Publikum um so lustiger machte. Ich würde den Film gern in Mitternachtsvorstellungen zeigen, vielleicht abwechselnd mit The Rocky Horror Picture Show, und ich würde Kracher, Luftschlangen und Champagner verkaufen.
Zeffirelli sieht das ganz anders: „Hier in Venedig läuft alles seit Jahren in eingefahrenen ideologischen Bahnen. Hier darf man keinen kommerziellen Film zeigen. Die interessieren sich hier nur für Filme von unbekannten Regisseuren mit unbekannten Schauspielern. Früher gingen die Preise in Venedig an Filme wie On the Waterfront, Rashomon und Oliviers Hamlet. Venedig war einmal das Zentrum von Kunst und Kino. Aber seit den 60er Jahren beherrscht die extreme Linke das Festival. Auch in Cannes hat es ein '68 gegeben, aber die Franzosen haben mehr Erfahrung mit Revolutionären und wissen, wie man sie an die Kandare nimmt. In Italien hat die Kommunistische Partei die Intellektuellen immer noch fest im Griff, und so tanzen alle nach ihrer Pfeife.“
Ich traf Zeffirelli im Hotel Excelsior, dessen Flure größer sind als mein New Yorker Appartement. Er war huldvoll, bot mir den Inhalt seiner Bar an und trank Scotch pur.
Anfang August berichtete eine Mailänder Tageszeitung, daß Zeffirelli die Schuld an der Blasphemie von Last Temptation dem „Judenpack“ in Hollywood gegeben habe. Die Meldung machte Furore. Zeffirelli beteuerte seine Unschuld in einer ganzseitigen Anzeige in 'Variety‘. „Es ist lächerlich“, sagt er, „keiner bei Motion Pictures war freundlicher zu den Juden als ich. Wichtige amerikanische Juden, wie etwa das Oberhaupt des 'American Jewish Committee‘ haben mich verteidigt. Einige meiner besten Freunde sind Juden. Ich habe Feinde bei der italienischen Linken, weil ich für Israel bin. Die Linke wirft mir vor, ich sei antisemitisch, und gleichzeitig setzt sie mich an die Spitze ihrer Schwarzen Liste der Judenfreunde.“
Wie kam es zu dem falschen Zitat? „Als die Proteste gegen Scorsese begannen, kamen die Journalisten sofort zu mir, weil ich nicht nur der wichtigste Protagonist des italienischen katholischen Films bin, sondern auch den weltweit wichtigsten Jesus-Film gedreht habe (Jesus von Nazareth, 1976). Sechshundert Millionen Menschen haben ihn gesehen. Deshalb wollte die Presse meine Meinung zu Scorsese hören, und sie stellten alle nur denkbaren oberflächlichen, widerwärtigen Fragen.
Eine davon lautete: 'Was halten sie von dem Vorwürfen gegen Wasserman (den Chef der Universal Studios, die The Last Temptation produziert haben) und diesem Judenpack in Hollywood?‘ Ich antwortete: „Ich glaube nicht, daß der Film das Produkt von Judenpack ist. Vielleicht von Pack, aber nicht von Judenpack.“ Und dann wurde in den Zeitungen alles verdreht. Aber keiner von denen hat das mit dem 'Judenpack‘ auf Band.
Die italienische Presse wird von linken Meinungsmachern manipuliert. Für sie bin ich ein rotes Tuch. Ich bin gegen Pornographie und gegen Gewalt. Das macht unser Kino kaputt, habe ich ihnen schon vor 20 Jahren gesagt. Jetzt ist es soweit. Das italienische Kino ist tot. Ich verstehe, warum sie mich hassen, die Linken und Kommunisten. Ich habe ihnen sehr geschadet. Denn ich habe dem Publikum die Gefahren ihrer Bibel klargemacht, ihrer Thora.“ Auf meinen skeptischen Blick hin fügt er hinzu: „Ihres Evangeliums.“
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