piwik no script img

Anschlag auf Bauernpriester in Guatemala

■ Der guatemaltekische populäre Priester Andres Giron entging einem Attentat / Er führt die Organisation landloser Bauern / In einem Gespräch mit der taz berichtet Giron, daß er auf der Abschußliste der Putschisten im Mai stand

Guatemala (ips/taz) - Der Priester Andres Giron, der in Guatemala innerhalb von zwei Jahren Hunderttausende von landlosen Bauern organisiert hat, ist am vergangenen Sonntag nur knapp einem Attentat entgangen. Sein Leibwächter wurde erschossen, ein Priester schwer verletzt.

„Auf dem Rückweg von einer Messe wurden wir von etwa 35 bewaffneten Männern in olivgrünen Armeeuniformen aufgehalten. Ich stoppte den Wagen, weil ich sie für eine Armeekontrolle hielt. Als der Wagen stillstand, feuerten sie sofort eine Maschinensalve ab“, berichtete der streitbare Padre am Montag der Presse. Während Andres Giron die „Gegner der Landreform“ für das Attentat verantwortlich macht, behauptete Außenminister Cabrera am Montag, er habe Beweise dafür, daß die Guerilla den Anschlag verübt habe.

Seit Jahren lebt Giron mit den Morddrohungen. 1986 war sein Wohnhaus in der südguatemaltekischen Ortschaft Tiquisate von Unbekannten minutenlang beschossen worden. Im Juli dieses Jahres wurde der Bauernführer Salomon Figueroa, ein enger Mitarbeiter Girons, auf offener Straße erschossen. Doch Giron will weiterhin nicht klein beigeben. „Ich lasse mich nicht einschüchtern“, sagte er nach dem Attentat und gestand dann sogar: „Manchmal habe ich Lust, meine friedliche Organisation zu verlassen und in den Untergrund zu gehen.

Girons friedliche Organisation heißt „Nationaler Bauernverband für Land“, kurz: ANC. Im Frühjahr 1986 war der Priester in seiner weißen Soutane an der Spitze von 20.000 Bauern aus dem guatemaltekischen Hochland in die Hauptstadt marschiert, um Land zu fordern. Inzwischen haben sich mindestens 250.000 landlose Bauern seiner Bewegung angeschlossen.

Fast täglich stehen auf dem großen Platz vor dem Regierungspalast Gruppen von Bauern und fordern Land. Der Regierung, vor allem aber den Großgrundbesitzern und Militärs, ist der überaus populäre 42jährige Bauernpriester ein Dorn im Auge. Als am 11.Mai dieses Jahres Teile der Armee gegen die Regierung des Christdemokraten Cerezo zu putschen versuchten, kochte der Präsident das Ereignis herunter und machte den Militärs Konzessionen. Giron aber sprach laut und deutlich aus, was alle wußten, und beschuldigte öffentlich den Großgrundbesitzerverband Unagro, den Putsch finanziert zu haben. „Wir halten unseren Kopf doch nicht umsonst hin“, erklärte er seine Haltung im August gegenüber der taz, die ihn auf seiner „Finca Austria“, einem mit österreichischen Hilfsgeldern erstandenen Landgut, das kooperativ bewirtschaftet wird, aufsuchte.

taz: Padre, übernehmen Sie sich nicht bei der Aufgabe, eine Bewegung von Hunderttausenden anzuführen und gleichzeitig selbst ein Landgut zu verwalten?

Andres Giron: Sie können mir glauben, daß es mir keinen Spaß macht, diese Finca zu verwalten. Es ist ein einziges Kopfweh, das mich zugrunde richtet. Da wollten doch glatt ein paar Brüder einen Eisschrank kaufen, wo es doch hier gar keinen Strom gibt. Aber man kann die Dinge nicht von heute auf morgen umkrempeln. In unserem Land ist der Paternalismus tief verwurzelt. Als wir mit dem Marsch anfingen, begannen wir ohne jegliche Organisation. Die Leute sind mir einfach gefolgt, weil ich das Glück gehabt habe, mehr Erziehung genossen zu haben. Jetzt sind wir dabei, möglichst viel Leute zu erziehen, damit sie Verantwortung tragen können.

Fühlen Sie sich bedroht?

Nach dem Putschversuch vom 11.Mai hat mich mein Bischof zu sich gerufen und mir gesagt, daß ich auf der Abschußliste der Putschisten an oberster Stelle stand. Da habe ich mich natürlich einen Augenblick gefragt, ob ich verschwinden soll. Doch ich kann ja die Leute nicht einfach im Stich lassen.

Aber die Repression haben Sie trotzdem zu spüren kommen.

In Coatepeque wollte Salomon Figueroa, einer unserer besten Führer, gerade eine Maschine abtransportieren, als ein Unbekannter vorbeikam und ihm drei Kugeln in den Kopf jagte. Hier in Guatemala sind alle, die töten, „Unbekannte“.

Aber Sie haben eine Vermutung...

Da Salomon in der Gemeinde ein sehr bekannter Mann war, sind auch Angehörige der lokalen Großgrundbesitzer zum Begräbnis gekommen. Aber Sie hätten die haßerfüllten Augen sehen sollen, mit denen sie mich angeschaut haben.

Man sagt, daß die Unagro direkt am Putschversuch beteiligt war.

Wir wissen, daß jede Großgrundbesitzerfamilie 30.000 Quetzales (etwa 20.000 DM) bezahlt hat, insgesamt also drei Millionen Dollar, damit sich die Armee erhebt. Das ist für sie offenbar billiger, als den Arbeitslohn von 700 Quetzales (500 DM) pro Jahr auf 2.000 Quetzales - so viel bezahlen wir auf unserer Finca - anzuheben.

Interview: Leo Gabriel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen