: Kunstfrühling gegen den Herbst
■ 150 Bremer KünstlerInnen hoffen an 60 Bremer Orten und 57 Tage lang auf einen „Kunstfrühlings„-Markt, auf Bremer BürgerInnen mit mehr als gutbürgerlichen Sparbüchern, auf Sponsoren und Senatsgeld
Ich mag keine Großveranstaltun gen. Aber es geht schon wieder los. Herbscht, Kunscht und der Frühling dazu in Bremen. Heute wird er im Festsaal der Bremer Bürgerschaft eröffnet: Bremer Kunstfrühling.
Die dezent schöne low-budget-Version des Katalogs, 25 Mark für 286 geschmackvolle Kunstseiten, spricht sozusagen Schwarz-Weiß-Bände zur Bremer Kultur-Finanz-Situation. „Ein Sozialpreis“, sagt Heinz Stark, Vorsitzender des Berufsverbands Bildender Künstler (BBK) Bremen. Er hätte sowieso lieber „Vierfarbdruck“ gehabt. „Das Ding fängt jetzt an“, sagt Stark zum Frühling, „und wir wissen noch nicht, wie wir die Rechnungen bezahlen sollen. Es ist einfach ein Unding, daß wir so etwas machen und drei Jahre gelähmt sind, weil wir abbezahlen.“
Der erste Frühling ließ bereits 1985 zarte Bremer Kunstpflänzlein sprießeln. Der neue Frühling ist noch größer, noch breiter, noch Bremer: 157 KünstlerInnen stellen in 79 Ausstellungen an 60 Orten aus. Knapp 60 davon sind tatsächlich Künstlerinnen, knapp 80 sind Kunst-Herren, alle sind Mitglied im BBK Bremen. So dient der späte Frühling in erster Linie fein marktwirtschaftlich
und kunstpädagogisch unverbrämt der Bremer Ausstellungsförderung und -vermittlung.
„Wenn's richtig schön teuer ist“, sagt Stark, „dann kaufen die Bremer - außerhalb.“ Selbst Bremens Sponsoren verfahren derweil „knallhart nach dem Äquivalenzprinzip“, fragen
gleich nach „PR-und Show-Effekt ... lokale Kunstförderung kommt da natürlich nicht zustande.“
Dabei sind bildende Künstler längst nicht mehr so Quartier -Latin-kein-Geld-bitte-bescheiden. Sie leiden nicht einmal mehr gern. Sie hassen weder Industrie
noch Kapital. Sie mögen Sponsoren. Bloß Bremens Sponsoren mögen keine Lokal-Kunst. „Wir haben uns insofern verkalkuliert“, sagt Stark, „als wir geglaubt haben, daß aus Wirtschaft und Handel mehr kommt.“ Die Sponsorenliste auf der Innenseite des Katalogdeckels ist in der Tat
einigermaßen niedlich: 1 Kunstsenator, 1 BMW Niederlassung, 1 Angestelltenkammer, 1 Ökofond der Grünen und die Sparkasse. Die, so Stark, stelle ihre Schalterhallen als Ausstellungsorte zur Verfügung, richte die große Ich-gewinne -und-tausche-Kunst-Tombola aus und habe außerdem „einen namhaften Betrag gespendet“.
Das restliche Sponsorenpotential wartet lieber, bis der Garten bestellt ist. Aber: „Ein attraktiver Wirtschaftsstandort muß ein attraktiver Kulturstandort sein. Der fällt nicht zum Nulltarif von Himmel“, so Stark. Auch der Kultursenator müsse mehr aufwenden: „Das Bremer Modell der sozialen Künstlerförderung ist eine bessere Sozialhilfe mit Gegenleistung.“
Vom 16.9. bis 12.11. aber macht der BBK erstmal selbst Kunstatmosphäre in Bremen. Mit nicht zu übersehender Großkunstveranstaltung, Preiswert-Katalog und 60 hübsch verteilten Ausstellungsorten. Da läuft der ein oder andere Sparkassengänger einem Original Bremer Kunstwerk direkt in den Rahmen. Angucken kostet nichts.
Petra Höfer
Info: BBK, Tel. 500422; Führungen: VHS Bremen, 496-3637
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen