: Verklärung. Was sonst.
■ WOMEN IN (E)MOTION: Bei ihrer Suche nach den frühen Blues-Frauen hat Rosetta Reitz vieles entdeckt, was die männliche Geschichtsschreibung unter den Tisch fallen ließ
Sie hat wirklich Aufregendes aufgespürt, bei ihrer Suche nach den frühen Blues-Frauen, die die männliche Geschichtsschreibung der afroamerikanischen Musik, von Ausnahmen abgesehen, wie so oft übergangen hat. Rosetta Reitz, freundlich-ältere NewYorkerin, hat mit ihrem Film -Vortrag den Bekannten und Unbekannten eine bewegende Würdigung erwiesen. Auf der Suche nach Filmszenen ist sie auch auf viele biographische Details gestoßen, die sie immer wieder einfließen ließ.
Mit ihrer freundlichheiseren
Stimme erläuterte sie die Filmclips, die sie wer weiß wo aufgestöbert hat, machte Angaben zur gezeigten Person und zur Entstehung des jeweiligen Filmschnipsels. Dabei wies sie vor allem auf den Widerspruch zwischen der stereotypen Darstellungsweise der Bluesfrauen in den Filmen und der Wirklichkeit hin. Die starken, selbstbewußten Frauen wie Mamie Smith, Ida Cox oder Bessie Smith paßten nicht in das gewünschte Frauenbild.
So wurden diese Frauen ins gängige Klischee der klagenden, vom Mann getretenen und verlassenen Frau gedrängt. Obwohl doch Ida Cox beispielsweise den programmatischen Titel „Wild women don't have the blues“ geschrieben hatte. Solches und gerade auch sexuelles Selbstbewußtsein, wie es sich in einer Reihe von zweideutig-anzüglichen Songs widerspiegelte, wurde in den Filmen ausgeblendet. Stattdessen zog mann die melancholische Opferrolle für die Frau vor. So mußte Mamie Smith, die 1920 den ersten überhaupt aufgenommenen Blues einspielte und auf der Bühne eine schillernde und prächtige Erscheinung war, in einem Film von 1929 als ärmlich gekleidete Frau ihren Blues in einer Knastdekoration singen. Ebenso war Bessie Smith, eine Frau mit starker Ausstellung und ebenso starker Leibesfülle, als verlassene und geschlagene Frau zu sehen, die über das „Herz aus Stein“ ihres „Bad Guy“ klagen muß, der mehr ein Männchen als ein Mann war.
Eine völlig andere Variante kommt später dazu. Sister Rosetta Thrpe, die 1941 den ersten kommerziellen Gospelsong aufnahm,
ereilte ein anderes Schicksal. Für die Aufnahmen zu ihrem Song „Lonesome Road“ hatte sie sich bewußt ein einfaches Kostüm angezogen, um Ernsthaftigkeit und Seriosität ihres Songs zu unterstreichen, sie wollte, daß nicht ihr Aussehen, sondern das Lied im Mittelpunkt stehen sollte. Stattdessen wurde, vermutlich als verkaufsfördernder Zusatz, die Aufnahme durch freizügig bekleidete Tänzerinnen angereichert, deren Agieren völlig zusammenhangslos mit dem Stück war.
Erwähnenswert ist noch der „Soundie“ der weiblichen Bigband „International Sweethearts of Rhythm“, die in den 40ern recht populär war. Ein „Soundie“ ist quasi ein Vorläufer des Musikvideos. Von 1941-46 gab es „Soundies“ in Musikboxen für 10 Cents konnte man, während die Platte lief, eine dreiminütige Aufnahme der jeweiligen InterpretInnen sehen. Die „Soundies“ verschwanden dann mit dem Aufkommen des Fernsehers.
Beim Publikum kamen Kommentare und Auwahl der Clips so gut an, daß es sogar noch eine Zugabe gab: Adelaide Hall sang den „Creole Love Call“ von Duke Ellington, brach mittendrin in einen Steptanz aus, der so garnicht zu ihrem vorhergehenden Gestus passen wollte. Ebenso abrupt brach ihr Tanz ab und sie fiel in ihre Gesetztheit zurück.
Arnaud
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