piwik no script img

„WO HÄNGT DEINE FRAU?“

■ Bildhauerinnen zu Gast beim Verein der Berliner Künstlerinnen im Rathaus Schöneberg

Zwei alte Herren bei einem Glas Wein stehend ins Gespräch vertieft. „Und wo hängt deine Frau?“, fragt der eine abschließend. Der andere schreckt suchenden Blickes auf: „Na, genau hinter Dir“, verkündet er erleichtert.

Die Eröffnung der Jahres-Ausstellung des Verein der Berliner Künstlerinnen im Rathaus Schöneberg hat immer ein bißchen mehr von der reizenden Plauderstimmung eines Kaffeeklatsches als von dem üblichen coolen Zombie-Treffen der Vernissagen. Der früheren Vorsitzenden Margarete Godon die sich, wie könnte es anders sein, bescheiden im Hintergrund hält - wird zum 85. Geburtstag gratuliert.

Doch der Verein kämpft gegen sein Kölnisch-Wasser-duftendes Flair einer Senioren-Veranstaltung. Dabei geht es ihm vor allem um eine Anerkennung seiner historischen Bedeutung für die Kunst- und Sozialgeschichte. Die Entwicklung des Vereins, der, 1867 gegründet, zu den ältesten Berufsverbänden von Frauen gehört, soll bis 1992 zu seinem 125jährigen Bestehen aufgearbeitet und dokumentiert werden. Um dafür die nötigen Geldgeber zu finden, wurde er jetzt in eine gemeinnützige Organisation umgewandelt. Nicht zuletzt, um auch das Interesse eines neuen Publikums zu gewinnen, haben die Künstlerinnen vier Bildhauerinnen als Gäste eingeladen, um mit ihnen gemeinsam auszustellen.

Viola Schill treibt in ihrer Version einer „Venusfalle“ ein Spiel mit dem Verborgenen: In drei Tüchern aus Terrakotta öffnet sich in der Mitte ein Spalt, ohne das Dahinterliegende sehen zu lassen. Glasbrocken, Steine, Metallscheiben, Holzstücke und kleingesägte Äste: diese ganz verschiedenen Materialien hat Gaby Krawinkel zu einem langgestreckten, dunklen und krustigen Objekt zusammengesetzt. Dieses „Asen-Haus“ könnte ein fossiles Fundstück sein, ein aus Steinen und Asche ausgegrabener Palast einer grummeligen, mitr dem Abbau von Metallen und Schmelzen von Glas beschäftigten Zwergengesellschaft.

Ganze andere Zeugnisse einer phantastischen, fremden Kultur erfindet Azade Köker, die archaische figurative Elemente benutzt. Ihre „Schmetterlingsfrau“ ist eine hohe und helle Stele. Die Larve, in der noch kalt und starr ruht, was sich erst in der Wärme entfalten kann, wird zu einer kultischen Symbolfigur für die Rolle der Frau: Auf welche Veränderung des Klimas muß sie noch warten, bevor sie die Flügel ausspannen und ihrer trostlosen Rolle als Standbild entfliehen kann? Auch das Environment „Strom“ von Erika Schewski-Rühling zeigt eine poetische und traurige Version eines im Nirgendwo und überall angesiedelten Stückes Menschheitsgeschichte. Auf Ziegelsteinen, deren Festigkeit nicht zu trauen ist, wie die bröckelnden Ecken und Kanten zeigen, ruhen kleine, menschliche Figuren - auf dem Bauch, dem Rücken, manche zusammengerollt wie im Schlaf. Ihre Gesichter sind unkenntlich, ihre Körper verschleiert. Ob im Zustand des Todes oder des Traumes, sie befinden sich auf einer gemeinsamen Reise und wissen nichts von ihrer Herkunft, noch von ihrem Ziel.

Dagegen stehen wie mit einem Paukenschlag die klotzigen „Großen Badenden“ von Christa Biederbick-Tewes vor einem. Aus Holzklötzen gezimmert, zeigen sie Fugen und Dübel. Sie widersprechen jedem Schönheitsideal und die aufgemalt engsitzende Badekleidung betont gemein die Pölsterchen und Röllchen aus Fett.

Katrin Bettina Müller

Verein der Berliner Künstlerinnen. Bildhauerinnen im Mittelpunkt. Ausstellungshalle Rathaus Schöneberg. Bis 16.Oktober. Di-So 11-18 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen