: Verlorene Unschuld des Willi Möhle
■ Geschäfte mit Kaffee und Büchern, zwei verlorene Paletten Scarafarm-Putzmittel: Der gefeuerte Einkaufsleiter des St.-Jürgen-Krankenhauses hat ein gutes Gewissen und ein ganz miserables Gedächtnis
Der Einkaufsleiter am St.-Jürgen-Krankenhaus, Willi Möhle, kam gestern mit einem guten Vorsatz in den Untersuchungsausschuß: Er wollte aussagen, sich gegen unberechtigte Vorwürfe wehren. Schon vor zwei Wochen hatte seine Frau ausgesagt: „Mein Mann hat nichts Unredliches ge
tan.“
An den 18.Dezember 1987 erinnerte sich Willi Möhle gut. In der Tagespresse konnte er lesen, daß sein langjähriger Chef, der Verwaltungsleiter Aribert Galla, fristlos von seinem Amt entbunden war. Für Möhle völlig unerklärlich ist, was ein Lagerarbeiter
von jenem Tag berichtete: Gegen 14 Uhr desselben Tages will der einen Anruf von Möhle bekommen haben, zwei 1,50 Meter hoch beladene Paletten mit Desinfektionsmitteln der Firma Scarafarm sollten aus dem Zentrallager herausgestellt werden. Mit dabei, so erinnern sich einige Augenzeu
gen der Szene, sei der Verkäufer von Scarafarm gewesen, Karl Wenkel. Die beiden Paletten wurden an jenem Freitag mittag zum Kücheneingang gestellt - die Putzmittel waren aber für die Küche nicht geeignet und sind auch dort nie angekommen. Daß sie im Lager des Krankenhauses fehlen, wurde vor wenigen Tagen festgestellt. Wert: 34.186 Mark. Der Lagerarbeiter wird über Mittag als Zeuge in den Ausschuß gerufen. Möhle: „Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern.“ Nachfrage: Warum nicht, der Vorgang liege erst kurz zurück. Möhles Anwalt springt bei: „Weil ich es so mit ihm abgesprochen habe.“ Wenkel erklärte gestern, die Packungen, die damals quittiert und bezahlt worden waren, habe Scarafarm garnicht liefern können - es gab sie nicht. Die Kripo vermutet, daß eine falsch etiketierte Sendung geliefert wurde, die der Scarafarm-Vertreter Wenkel nach der Absetzung Gallas schleunigst verschwinden lassen wollte.
Noch ein anderes Geschäft zwischen dem Einkaufsleiter Möhle und dem Verkäufer Wenkel kam gestern zur Sprache. Möhle erinnerte sich: Wenkel habe ihn gefragt, ob er auch Kaffee zu dem günstigen Einkaufspreis beziehen könne, den Melitta dem Krankenhaus als Großabnehmer einräumt.
Der Melitta-Vertreter hatte aber bei der Kripo erklärt, Möhle habe bei ihm um eine Geschenk-Sendung von vier Paketen nachgesucht, die einem Großkunden gern gewährt wurde. Und Wenkel hat sogar einen Zeugen dafür, daß er an der Tankstelle bar 360.-Mark überreichte. Möhle
dazu: „Das stimmt nicht.“ Wenkel erscheint im Ausschuß, berichtet. Möhle nach der Gegenüberstellung: „Ich kann von meiner Aussage nicht abweichen.“
Bücher hat Möhle auch einmal bestellt, bei der Wiebadener Adresse, die exklusiv das Krankenhaus belieferte. Anglistik -Fachbücher für seine Tochter, ja. Für sich selber? „Nein.“
Ausschußvorsitzender Lojewski hebt zwei Papier-Bündel hoch
-alles Lieferscheine, die meisten ohne Preis, die meisten an die Privatadresse Möhles. Fachbücher? „Friedhof der Kuscheltiere“, „Beim Mord hört die Freundschaft auf“, „Angst ist eine Kraft“, „Schlimmer gehts nimmer“ und so weiter steht auf den Scheinen. Der Bibliothekar der St.-Jürgen -Klinik wußte, daß die Wiebadener Buchhandlung 10% „Naturalrabatt“ auf alle Lieferungen eingeräumt hatte - an die 200.000 Mark in zehn Jahren. Auch an Galla, dessen Frau seit einigen Jahren einen Laden u.a. mit Buchverkauf betreibt, gingen die „Natural-Lierferungen“.
Von den zusätzlichen Büchern ging kein einziges durch die Registratur des St.-Jürgen-Schwargeldklinik.
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Willi Möhle
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