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Gar nicht so schlecht

■ Das Warnstreikurteil des Bundesarbeitsgerichts

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Warnstreikpraxis der Gewerkschaften paßt auf den ersten Blick in den herrschenden konservativen Trend, die betrieblichen und politischen Mobilisierungsmöglichkeiten der Gewerkschaften immer weiter zu reglementieren und einzuschränken. Die Novellierung des Paragraphen 116 Arbeitsförderungsgesetz hat dies auf der gesetzgeberischen Ebene bezweckt. Die Ausdehnung des bisher nur für Vollstreiks geltenden Ultima –Ratio-Prinzips auf gewerkschaftliche Warnstreiks scheint dasselbe auf der Ebene der Rechtsauslegung zu bewirken.

Dennoch können die Gewerkschaften diesem Urteil mit Gelassenheit begegnen. Denn der rechtsformalen Ausweitung des Ultima-Ratio-Prinzips steht eine inhaltliche Einschränkung gegenüber: Zwar dürfen Warnstreiks in Zukunft nur dann inszeniert werden, wenn in den Verhandlungen nichts mehr geht. Aber die Entscheidung darüber treffen die Tarifparteien in eigener Freiheit, unabhängig davon, ob formell das Scheitern der Verhandlungen erklärt worden ist oder nicht. Im Klartext: auch vor dem Scheitern dürfen die Gewerkschaften einen Druck auf die Arbeitgeber erzeugen, der Erzwingungscharakter hat.

Dieser Aspekt der jüngsten BAG-Entscheidung ist für die Gewerkschaften besonders interessant: denn die rechtlich umstrittene Frage, ab welcher Dauer ein Warnstreik Erzwingungscharakter hat und damit vor dem formellen Scheitern illegal ist, wird nun obsolet. Auch Warnstreiks dürfen nun mit dem Segen des Bundesarbeitsgerichts Druck ausüben. Nur eine Einschränkung macht das Gericht: Die Gewerkschaften können nicht warnstreiken, bevor überhaupt verhandelt worden ist. Und sie müssen trotz Warnstreik verhandlungsbereit bleiben. Das aber war ohnehin nie anders.

Martin Kempe

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