: Methadon - keine Patentlösung
■ Züricher Arzt berichtet über Methadon-Programme / „Große Sorge“ vor dem Versuch, Methadon als Aids-Prophylaxe breit zugänglich zu machen
Das Thema „Methadon“, lange Zeit in der drogenpolitischen Diskussion zumindest in Bremen ein Stichwort aus der Schmuddel- ecke, ist hoffähig geworden. Zwei Wochen nach dem Hearing der CDU hatte gestern auch die FDP einen Experten geladen, der seit Jahren und mit Überzeugung in einem renommierten Methadon-Projekt arbeitet: den Züricher Oberarzt und Verantwortlichen für Rehabilation, Dr. Werner Fuchs.
Ihn hatte der Bremer Drogenbeauftragte Thies Pörksen einmal als Kronzeugen dafür angeführt, daß das Züricher Programm ausgeufert und der Initiator inzwischen sehr skeptisch sei. Die FDP hatte insofern eine gute Hand, den
Züricher Arzt selbst einzuladen.
Man habe in der Schweiz „nicht so wahnsinnig große Diskussionen“ über Methadon, überraschte Fuchs die Zuhörer des Hearings. Viel wichtiger als die Therapie-Modelle seien soziale Faktoren - ob die Suchtabhängigen einen Job finden, eine Ausbildung oder eine feste Beziehung. Man wisse eigentlich auch nicht, was eine Sucht sei, warum sie entsteht und warum einzelne sie überwinden. Insofern dürfe man nicht so große Erwartungen mit Therapien im allgemeinen und insbesondere mit Methadon verbinden, es gebe „keine Patentlösung“. Allerdings hätten sich einige der gängigen Bedenken gegen Methadon in der Praxis nicht
bestätigt.
Seit 1975 bestehe zur Begrenzung der Abgabe von Suchtmitteln durch Ärzte eine staatliche Richtlinie. Erklärtes Ziel der Drogenpolitik sei es, möglichst viele der Abhängigen wenigstens gesund und lebend über die Phase der Drogen-Karriere hinüberzuretten - diesem Ziel würden notfalls auch juristische Vorstellungen untergeordnet. Nach einigen Jahren intensiv therapeutisch begleiteter Methadon -Abgabe sei in Zürich als Ergebnis zu verzeichnen, daß vielleicht ein Drittel der Betroffenen sich von ihrer Abhängigkeit befreien konnten, ca. 19% seien nach wie vor von Methadon abhängig, die Hälfte davon wenigstens in einigermaßen sta
bilen sozialen Bezügen.
Das, was das Interesse an Methadon in den letzten Monaten so verbreitet hat, bereitet Dr. Fuchs eher Sorge: Methadon als Aids-Prophylaxe zu verwenden. 1987 wurde in der Schweiz aus solchen Motiven die Schwelle für die Methadon-Vergabe gesenkt. Keinerlei Erkenntnis aus der Drogen-Arbeit hätten dies begründet, erklärte Dr. Fuchs. Die Zahl der mit Methadon behandelten sei von 350 auf 800 hochgesschnellt. Die „große Angst“, daß damit auch viele jüngere Abhängige unter 23 Jahren an Methadon kämen oder Drogenabhängige, die nicht andere Therapien versucht hätten, habe sich bisher aber nicht bestätigt.
K.W.
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