: Regenwald zum Schleuderpreis
Bei der heute in Berlin beginnenden Tagung „Umweltzerstörung und Weltbank“ steht ein Plan zur Diskussion: Debt for Nature Swaps - Umwandlung und Erlaß von Schulden gegen Umweltauflagen ■ Von Barbara Unmüßig
Im vergangenen Jahr noch klang der Plan spektakulär. Eine US -Umweltorganisation kaufte auf dem „Second-Hand-Markt“ für uneinbringliche Schuldpapiere der Drittweltstaaten einen Titel mit dem Nennwert von 650.000 Dollar für ganze 100.000 Dollar. Die neuen Besitzer verzichteten auf die Rückzahlung der Dollarschuld - unter der Bedingung, daß die bolivianische Regierung den entsprechenden Gegenwert in Landeswährung zur Verfügung stellt, um ein Naturschutzgebiet zu erweitern. Ein Begriff war geboren: „Debt for Nature Swaps“.
Als im Juni 1988 der World Wildlife Fund in einem Abkommen mit der philippinischen Regierung und der „Harobou Foundation“ beschloß, Schulden des Landes im Buchwert von zwei Millionen Dollar zu kaufen, war dies allein für den WWF der dritte Swap. Auch Costa Rica und Ecuador hatten mit US -Organisationen ähnliche Vereinbarungen getroffen.
Modelle des Schuldentausches gegen Umweltschutzleistungen werden bereits seit 1984 von Öko-Organisaionen und Umweltexperten diskutiert und entwickelt. Die Lösung der Schuldenkrise der Länder der Dritten Welt wird als Chance begriffen, gleichzeitig dem Naturschutz in den Ländern der Dritten Welt zum Aufschwung zu verhelfen.
Die Umweltgruppen haben sich damit in einen Markt eingeschaltet, der sich im Laufe der Schuldenkrise herausgebildet hat. Beim „Debt to Equity Swaps“ kaufen Investoren Schuldtitel von solchen Gläubigerbanken zum Discountpreis auf, die starke Zweifel haben, ihre Kreditgelder je wieder zurückzubekommen. Mit den neu erstandenen Ansprüchen gehen sie zur jeweiligen Schuldnerregierung und lassen sich den Gegenwert in Form von Anteilen an - in der Regel staatlichen - Unternehmen „auszahlen“.
Debt for Nature Swaps gehören damit ebenfalls zu den marktorientierten Instrumenten innerhalb der diskutierten und derzeit praktizierten Entschuldungsmodelle. In der Regel sind daran drei Gruppen von Akteuren beteiligt: Naturschutzorganisationen beziehungsweise Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Gläubiger- und Schuldnerländern, die Gläubigerbanken und die Regierungen oder Zentralbanken der Schuldnerländern. Die nach Umwandlung und Erlaß freigesetzten Beträge in Landeswährung werden dann einer „gemeinnützigen Institution“ im Schuldnerland für Zwecke des Umwelt- und Naturschutzes zur Verfügung gestellt.
Im Falle Ecuadors einigte sich der World Wildlife Fund mit der ecuadorianischen Umweltorganisation „Fundacion Natura“ auf die Verwendung der Mittel für die Pflege und den Ausbau des Nationalparksystems sowie auf die Finanzierung von Projekten der Umwelterziehung. In Costa Rica wird die „Fundacion de Parques Nacionales“ die Gelder zum Ankauf von Land benutzen.
Naturschutzparks als
Kompensation
Auch wenn die Naturschutzvariante im „Menü“ der derzeit diskutierten Entschuldungsstrategien von Regierungen, Gläubiger- und Entwicklungsbanken in keinem nennenswerten Umfang aufgegriffen wird, ist mit der Debatte um dieses Instrument bisweilen der Eindruck entstanden, als verfüge man endlich über ein wirksames Mittel, die Schulden- und Umweltkrise in den Ländern der Dritten Welt gleichzeitig lösen zu können.
Bezogen auf die Gesamtverschuldung der Länder der Dritten Welt in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar, wurde mit Hilfe der Debt for Nature Swaps ein marginaler Bruchteil der Gesamtschulden entschuldet. Das wird allerdings auch von den Befürwortern der Debt-for-Nature-Swap-Strategie nicht bestritten. Problematischer steht es mit einem anderen Anliegen der Naturschützer: Sie wollen dem Umwelt- und Naturschutz in der Dritten Welt Gehör verschaffen. Exportiert hierbei wird jedoch eine Naturschutzstrategie, die auch in westlichen Industrieländern als gescheitert betrachtet werden kann. Bioreservate und Naturschutzparks sind „billige“ Kompensationen für die Umweltzerstörungen in der Dritten Welt, die nicht zuletzt in der verheerenden Verschuldung der Dritten Welt ihre Ursachen hat.
Reparatur statt
präventiver Maßnahmen
Mit dem Instrument der Debt for Nature Swaps wird die Legitimität der Schulden anerkannt, obwohl immer breitere Kreise im Süden und im Norden gerade diese in Frage stellen. Im Gegenteil kann es durch Debt-for-Nature-Swap-Programme passieren, daß bereits wertberichtigte, also eigentlich aufgegebene Forderungen doch nicht eingetrieben werden. Außerdem verschafft sich so manche Gläubigerbank ein umweltpolitisches Image, wenn sie Schuldentitel an private Umweltorganisationen verschenkt.
An Öko-Paternalismus grenzen die Programme zur Umwelterziehung, wenn beispielsweise einheimische Biologen in US-Nationalparks den pfleglichen Umgang mit der Natur und die Bewirtschaftung dieser Parks lernen sollen. „Westliche Experten“ bestimmen, wie mit der Natur umzugehen ist, ob und wie der Wald genutzt werden darf. Ein weiteres Mal wird der einheimischen Bevölkerung die Verfügungsgewalt über ihr Land entzogen, ein weiteres Mal werden sie als Unmündige behandelt.
Bisher ist jedenfalls kein Fall für Debt for Nature Swaps bekannt, bei dem die einheimische Bevölkerung in die Planung einbezogen worden wäre. Die Verhandlungen mit Regierungen, Zentral- und Gläubigerbanken verlangen einen hohen Arbeitsaufwand, die Offenlegung der Bücher und anderes mehr seitens der NGOs in Nord und Süd. Gerade zahlreiche basisnah arbeitende NGOs in den Schuldnerländern verfügen jedoch weder über die administrativen Kapazitäten, um die großen Fiananzmittel zu absorbieren, noch sind sie bereit, direkt mit der Regierung, zu der sie in vielen Fällen in einem oppositionellen Verhältnis stehen, zu kooperieren oder gar ihre internen Strukturen offenzulegen. Voreiligkeit und falsche Euphorie seitens privater Umweltorganisationen können dazu führen, daß diese in zweifelhafte Strukturanpassungs- oder Aktionsprogramme wie den Tropenwaldaktionsplan der Weltbank eingebunden werden oder diese legitimieren.
Debt for Nature Swaps sollten deshalb auch nicht als Instrument begriffen werden, das die Schulden- oder die Umweltkrise in der Dritten Welt lösen kann. Chance und Voraussetzung dafür kann nur eine umfassende Schuldenstreichung sein.
Barbara Unmüßig ist Mitarbei- terin der Bundestagsfraktion der Grünen.-BLOCKENDE
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