: Da strahlen die Marokkaner
■ Berliner Entwicklungshilfe: Marokko erhält uralten Berliner Röntgen-Bus mit hoher Strahlenbelastung / Berlin hat einen nagelneuen mit geringer Belastung
Groß gefeiert wurde gestern im Wedding die Neuanschaffung eines rund eine Million Mark teuren Schirmbildbusses, der für Massenuntersuchungen auf Tuberkulose (TBC) eingesetzt wird. Über die nach dem neuesten medizinisch-technischen Stand ausgestattete mobile Röntgenanlage freute sich besonders der Leiter der Weddinger Tuberkulosefürsorge- und Schirmbildstelle, Dr. Wolfgang Schmidt, gleichzeitig Präsident des DRK in Berlin. Er bestätigte gestern gerade passend zur IWF/Weltbank-Tagung zur „Entwicklungshilfe“, daß der bisherige Schirmbildbus, der mit seinen zwölf Jahren und einer veralteten Röntgentechnik für Berlin ausgedient hat, nach Marokko geliefert wird, wo ihn die dortige Hilfsorganisation „Roter Halbmond“ betreibt.
Reihenuntersuchungen mit Röntgenstrahlen sind seit langem in der Bundesrepublik umstritten. Der Aufwand sei im Verhältnis zum Nutzen viel zu groß, meinen kritische Wissenschaftler. In Berlin wurden z.B. 1983 rund 52.500 Menschen durch den Untersuchungsbus geschleust, in 30 Fällen stellte man TBC fest. „Das steht in keiner Relation“, meint der Wilmersdorfer Gesundheitsstadtrat Spatz (AL) und fordert, effektivere Tuberkulintests einzusetzen, anstatt sich dem Risiko von Röntgenstrahlen zu unterziehen.
„Bei einer medizinisch einwandfreien ausgeführten Röntgenaufnahme wird kein einzelner Patient geschädigt“, verteidigt dagegen Dr. Schmidt seinen Schirmbildbus. Gleichzeitig rühmt er allerdings, daß die Strahlendosis, die bei den veralteten Geräten im ausgemusterten Bus pro Aufnahme bei 40 bis 60 mrem lag, auf nur zwei bis drei mrem gesenkt werden konnte. Aber, so die denkwürdige Argumentation, „da die Strahlenbelastung der Gesamtbevölkerung in Marokko weitaus niedriger liegt als in Deutschland“, hat der DRK-Präsident keine Probleme mit seiner „Entwicklungshilfe“.
Eine Strahlendosis von 40 bis 60 mrem hält der beim Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit zuständige Strahlenschutzbeauftragte, Dr. Scheffler, zwar für „noch vertretbar, wenn ein medizinischer Nutzen vorhanden ist“. Die Dosis sei jedoch „relativ hoch“.
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