Pause in St.-Jürgen-Gate

■ Untersuchungsausschuß hörte gestern zwei beamtete „Baulöwen“ und gönnte sich dann eine 14tägige Lesepause / Tepperwien und Wedemeier geladen

Bremens spürnasige ParlamentarierInnen brauchen ein wenig Muße, um die 400 St.-Jürgen-Ordner nach frisierten Bauakten durchzuwühlen. Auch wollen sie einige Tage ihrer eigentlichen Beschäftigung nachgehen und an einer Sitzung der Bürgerschaft teilnehmen. Deshalb gönnen sie sich ab heute eine 14-tägige Lesepause. Die nächsten ZeugInnen sind erst ab 10. Oktober bestellt.

Die bisherige ZeugInnenliste reicht bis in den Dezember. Ob der Ausschuß im März/April 1989 seine kriminologische Arbeit abgeschlossen haben wird, weiß noch immer niemand vorauszusagen.

Der prominenteste Oktober-Zeuge heißt Fritz Tepperwien. Er ist SPD-Gesundheitsdeputierter, Vorsitzender des „Arbeiter -Samariter-Bundes“ (ASB) und stand in engem Kontakt mit dem geschaßten Klinik-Verwaltungsdirektor Aribert Galla. Um ihn rankt sich hartnäckig das bisher unbewiesene Gerücht, der ASB habe der Bremer SPD als „Spenden-Waschanlage“ gedient. Noch prominenter ist der Zeuge Wedemeier, der Erste Bürgermeister der Stadt, der Ende November zu erwarten sein dürfte. Zu den fünf folgenden Komplexen sind zahlreiche weitere Zeu

gInnen bestellt: Erstens: Vorgänge bei der verfilzten Einstellung des Genossen Galla. Zweitens: Mangelhafte Dienstaufsicht im Gesundheitsressort. Drittens: Kooperation zwischen dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und der geschaßten Klinik-Leitung. Viertens: Pflegesätze und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus. Fünftens: Unregelmäßigkeiten beim millionenschweren Neubau der Frauenklinik und bei der Renovierung von Klinikfassaden. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Fest steht nur, daß sich der Ausschuß zwei Zeugen bis zum Schluß aufspart: Die beiden Männer, die in Politik und Verwaltung die Verantwortung für die Zustände in der Klinik trugen, Ex -Gesundheitssenator Herbert Brückner und Ex-Senatsdirektor Hans-Helmut Euler.

Bevor der Ausschuß allerdings in die Lese-Ferien ging, hörte er sich gestern noch den Zeugen Kurt Kahrs an, der im Hochbauamt für das Krankenhaus-Bauwesen zuständig ist. „Wir sind nunmal Baulöwen. Wir bauen gerne“, stellte Ressortleiter Kahrs seine Spezies vor. Sein Ressort habe nach der Devise gearbeitet: „Kinners, die Termine werden eingehalten, die Kosten

werden eingehalten.“ Baulöwe Kurt Kahrs kam dann jedoch auf einen leidigen Fall zu sprechen, bei dem überhaupt nicht auf die Kosten geachtet wurde: Den Umbau der Zentralküche und den Kauf eines Tablettsystems im Klinikum St.-Jürgen-Straße. Kahrs‘ Abteilung war zu dieser Zeit noch verantwortlich für das Planen und das Bau-Kosten-Berechnen in den bremischen Krankenhäusern. Diese Zuständigkeit verlor sein Ressort erst 1987, als die Kliniken in die Selbständigkeit entlassen wurden.

Doch schon vorher kam sein Ressort „nicht dahinter, was im Klinikum alles gebaut wurde“. Und als sein Ressort beim Küchenumbau schließlich „dahinterkam“, war es zu spät: Ein Bremer Küchenvertreter war als Generalunternehmer beauftragt; ein gelernter Maurer namens Wilfried Brückner, der Bruder des damaligen Gesundheitssenators, führte in der Klinik die Bauaufsicht (vgl. taz vom 23.9.88). Der beamtete „Baulöwe“ Kahrs war bestürzt: „Es gab keine Planung, keine Zeichnungen.“ Als der Ex-Verwaltungsdirektor Galla den besorgten Baumann Kahrs barsch in seine Grenzen verwies, zog Kahrs seine Truppe ganz zurück.

Kahrs überlies die Dilettanten

in der Klinik ihrem kostspielig-korrupten Schlamassel. Er tröstete sich damit, daß der Küchenvertreter immerhin die angesehene Bremer Bau-Firma Engeland angeheuert hatte und daß die Kliniken ab 1987 eh selbständig würden. Konsequenzen zogen weder er noch sein Vorgesetzter, der Ex-Senatsdirektor im Bauwesen, Kulenkampff. Letzterer erklärte gestern vor dem Ausschuß, das Bau-Unwesen in der St.-Jürgen-Straße habe in seiner Behörde höchstens noch für „feuilletonistische Gespräche im Fahrstuhl“ gesorgt.

B.D.