Der Lieblingssport der Sandinisten

Baseball, diesmal noch Demonstrationswettbewerb, wird 1992 olympisch / Südkorea - Australien 2:1  ■  Aus Seoul Herr Thömmes

Daniel Ortega, Präsident der Republik Nicaragua, konnte die Yanquis noch nie leiden. Schon als Jugendlicher war er „anti-Coca-Cola, anti-Comics, gegen alles, ob gut oder schlecht, das die Vereinigten Staaten repräsentierte“. Mit einer Ausnahme: „Baseball“.

Als der Commandante dem 'Playboy‘ von seiner sportlichen Vorliebe erzählte, saß er im Sandino-Stadion, zu seinen Füßen eine Maschinenpistole des Typs AK-47. Der einstige Fan der New York Yankees war kein aufmerksamer Interviewpartner, selbst bei der Frage nach seiner Lieblingsfigur in der Iran-Contra-Affäre kam ihm in den Sinn: „Wissen Sie, ich kam mit meinem Vater zu den Baseballspielen hierher.“

Nicht nur Ortega fühlt sich dem beisbol verbunden. Innenminister Thomas Borge ist „Pate“ bei Costa Atlantica, Meister Dantos (von Commandantos) gehört zum Verteidigungsministerium, und das Parteiblatt „Barricada“ druckt selbstverständlich sämtliche Ergebnisse und Tabellen der US-Profi-Liga. Der sandinistische Radiosender bringt Live-Übertragungen aus den USA.

Das Fieber grassiert auch anderswo, und Dan Gordon ist einer der dauerhaft Erkrankten. Ich traf ihn in Santo Domingo, und der fahrige Kerl wurde nur ruhig, wenn er vom Baseball erzählen durfte. Fünf Monate war er gerade in Japan, das nächste Jahr sollte ihn auch noch nach Kuba bringen. Dan war quasi wissenschaftlich unterwegs, hatte ein Highschool-Stipendium für das Thema Baseball. Man kommt in der Dominikanischen Republik nicht daran vorbei, auf den Titelseiten finden sich täglich zwei bedeutende Meldungen: die US-Liga und der Dollarkurs. Und das englische Wirtschaftsblatt 'Financial Times‘ rät allen Geschäftsleuten: „Für Verhandlungen mit dominikanischen Partnern sollten sie sich mit den Baseball-Regeln vertraut machen.“

Es muß was dran sein an diesem Sport, der in Seoul noch einmal vorgestellt wird und '92 in Barcelona olympisch sein soll. Leicht erkennbar ist das nicht. Auch jetzt, da Südkorea gegen Australien spielt, kommt nur in den Pausen Bewegung in die Zuschauer. Dann klatschen sie zu dröhnender Musik und dem Gehampel der Cheerleaders. Wenn sie nicht gerade einkaufen. „Baseball“, sagt der Fachjournalist Danny Knobler, „ist Peanuts mit Dosenbier“. Plus das Scorer-Book. Hier tragen sie jede Aktion ein, die Fans, die Reporter. Vollgeschrieben sieht es aus wie eine Mischung koreanischer Schriftzeichen mit mathematischen Formeln. Sonst tut sich nichts, nicht viel jedenfalls. Der Pitcher wirft den Ball und der Batter versucht ihn mit einem Knüppel zu treffen, vergeblich zumeist, und so fängt ihn der Catcher. Im Erfolgsfall darf der Pitcher im Viereck rennen, in Vollendung ein Homerun. Damit ist das Spiel beschrieben, etwas oberflächlich vielleicht, aber die “ Baseball Encyclopedia“ umfaßt 2.200 Seiten mit 100 Grundregeln. Zuviel für eine Tageszeitung. Das Spielfeld hat die Form eines Kuchenviertels, an seiner Spitze wird geworfen und gefangen. Daß die Batter schlecht treffen, mag an ihrer Form liegen, oder sie haben das 'New England Journal of Medicine‘ nicht gelesen. Wenn ich dem glauben darf, müßten sie es von der anderen Seite versuchen: die Dominanz ihres Auges stimmt nicht mit der des Arms überein. Verwirrend?

Das macht nichts, das Spiel ist recht übersichtlich. Neun koreanische Spieler haben sich mit einem Australier auf dem Kuchen verteilt, bewegen tun sie sich so viel wie Wachsoldaten. Nach zwei Stunden 22 Minuten stöhnt das Publikum zum ersten Mal, wir sind im achten Inning und fast wären zwei Spieler zusammengeprallt. Nach neun Innings wäre Schluß, normalerweise, bräuchte Korea nicht noch eines in der Verlängerung, um 2:1 zu gewinnen.

Mister Knobler sagt, es sei ein gutes Spiel gewesen, sein Scorer-Book ist voll und Baseball weltweit im Kommen. Nichts ist da einzuwenden, es ist ein Sport ohne Aggressionen. Und weil er olympisch wird, wollen alle mittun. Die UdSSR vorneweg. Catcher Vadim Kulakov aus Moskau will seinen Sohn Gary nennen - nach Gary Carter, seinem Lieblings-Profi. Für den KP-Funktionär Ramaz A. Goglize wird „Baseball eine großartige Brücke zwischen unseren zwei Ländern“, und es ist, als klopfe Chruschtschow noch einmal mit dem Schuh auf das Rednerpult der UNO: „Wir werden euch jetzt mit Homeruns schlagen, nicht mit Waffen“.

An diesem Wettrüsten ist die BRD nicht beteiligt. Ein Bundesligaspiel der Hamburg Knights mußte unlängst abgesagt werden, weil zwei Spieler krank waren. Armes Entwicklungsland.