: Sicherheitsgesetze sollen „Gewaltquellen austrocknen“
Erste Lesung der Sicherheitsgesetze im Bundestag / Einschränkung der Bürgerrechte wird mit IWF-Tagung und Tietmeyer-Anschlag begründet ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Innenminister Zimmermann (CSU) will mit den neuen Sicherheitsgesetzen das „geistige Umfeld krimineller Gewalt austrocknen“. Zur IWF-Tagung sei jetzt „eine Fülle von gewaltfördernden Schriften im Umlauf“. Darum müsse sich - so forderte Zimmermann gestern bei der ersten Lesung der Sicherheitsgesetze im Bundestag - eine parlamentarische Mehrheit für den neuen Straf-Paragraphen 130b finden, der das „Befürworten von Straftaten“ in Druckerzeugnissen ahnden soll. Denn derartige Veröffentlichungen sind für Zimmermann „die geistige Quelle der späteren Anwendung“ von Gewalt. In einem Atemzug nannte der Minister den Tietmeyer-Anschlag in Bonn, Anschläge im Kontext des IWF-Kongresses und das Verprügeln eines IWF-Funktionärs in Hamburg, um die Notwendigkeit der neuen Sicherheitsgesetze zu belegen: „Hier darf nichts verniedlicht werden.“
Zimmermann stellte den in der Koalition umstrittenen Paragraphen 130b an den Anfang seines Plädoyers, nachdem sich vorher aus den Regierungsparteien keine Stimme mehr für diesen Teil des Gesetzespakets stark gemacht hatte. Für die CDU deutete Anton Stark an, ohne den Paragraphen 130b direkt zu nennen, es gebe auch „Dinge, die nicht so wichtig sind und über die man reden kann.“ Für den CDU-Mann muß Fortsetzung Seite 2
ten aber die IWF-Proteste herhalten, um die Notwendigkeit des strafbewehrten Vermummungsverbots zu begründen.“ Vermummte tragen die Sozialschädlichkeit und Gefährdung in sich“, analysierte Stark. Vermummte Demos seien „zehn mal gewalttätiger“ als nicht-vermummte Aufzüge. Für den CDU -Redner wie auch für Justizminister Engelhardt gilt der Tietmeyer-Anschlag nun auch als neue Begründung für die Kronzeugen-Regelung. Engelhardt: „Der Anschlag auf Tietmeyer, in der Bundeshauptstadt, buchstäblich unter unseren Augen, ist ein Signal an uns alle.“ Die Kronzeugenregelung eröffne eine „Chance, die Terrorszene aufzubrechen.“ Liberales Rechtsverständnis definierte Detlef Kleinert beim Thema Kronzeugenregelung so: „Wenn wir nicht das Äußerste tun, was dem Gesetzgeber zugemutet werden kann, dann haben wir nicht das Recht, von den Polizeibeamten zu verlangen, ihr Leben einzusetzen.“
Die Sozialdemokraten werteten die neuen Sicherheitsgesetze, die gestern in erster Lesung in den den Bundestag eingebracht wurden, als „Wende zum Gesinnungsstrafrecht“. Durch die Kronzeugen-Regelung werde „die Rechtsordnung destabilisiert“, meinte Hans de With; insgesamt würden die neuen gesetze auf Kosten „des Vertrauens in diesen Staat“ gehen. „Die Freiheit stirbt mit Sicherheit“, resümierte auch die grüne Abgeordnete Antje Vollmer. Das Vermummungsverbot wird ihrer Ansicht nach dazu führen, daß „der Mythos der schwarzen Kappen“ erst geschaffen wird: „Es wird zur Mutprobe, sie zu tragen.“ Auch die Kronzeugen-Regelung werde dazu führen, daß das RAF-Umfeld sich „noch mehr isolieren“ werde, noch „militanter, radikaler und unberechenbarer“ werde.
In einer schriftlichen Minderheits-Erklärung äußerten die FDP-Abgeordneten Baum, Hirsch, Lüder, Richter und Segall Bedenken gegen „Umfang und Ungenauigkeit“ der neuen Strafvorschriften: „Sie werden zu vermehrten Auseinandersetzungen führen, zu staatlichen Eingriffen, wo in Wirklichkeit noch keine strafwürdige Handlung vorliegt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen