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„Nötigung und Effekthascherei“

FDP-Landesvorsitzender Walter Rasch zum Offenen Brief der Kreuzberger FDP  ■ I N T E R V I E W

In einem Offenen Brief an den „Parteifreund Rasch“ kündigte die Kreuzberger FDP letzten Freitag ihrem Landesvorsitzenden an, daß sie für eine Teilnahme an der Wahl zum Abgeordnetenhaus nicht mehr zur Verfügung stünde, „falls entgegen allen Zusagen und Ankündigungen es doch wieder zu einer Abriegelung Kreuzbergs oder zu sonstigen unverhältnismäßigen Einsätzen der Polizei kommen sollte“. Mit dieser Entscheidung, die „endgültig und nicht mehr verhandlungsfähig“ sei, reagieren die Liberalen auf die seit einer Woche „massiert auftretenden Polizeikräfte“ im Bezirk. Verbunden mit dieser Drohung fordert der Bezirksverband die Parteispitze auf, dem Koalitionspartner CDU klarzumachen, daß eine neuerliche Absperrung Kreuzbergs nicht geduldet werden könne. Mit dem angedrohten Verzicht wolle man sich für einen freiheitlichen Staat einsetzen und gegen einen „Staatsapparat, bei dem Machtdemonstration und Machtausübung zum Selbstzweck entartet“.

taz: Herr Rasch, was sagen Sie dazu, daß Ihre Parteifreunde in Kreuzberg in einem Offenen Brief angekündigt haben, sie würden keine Kandidaten zur Abgeordnetenhauswahl aufstellen, wenn während des IWF -Kongresses Kreuzberg wieder abgeriegelt würde wie beim Reagan-Besuch?

Walter Rasch: Ich kann nur sagen, daß es absolut unverantwortlich ist, die sogenannte Abriegelung mit der Kandidatenaufstellung für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus zu verbinden.

Wieso ist das unverantwortlich? Es gab doch tatsächlich während des Reagan-Besuchs diese Abriegelung, und die Befürchtung einer Wiederholung ist doch nicht unrealistisch?

Ich will jetzt gar nicht über irgendwelche Polizeimaßnahmen spekulieren, die noch gar nicht stattgefunden haben. Damals haben wir die Abriegelung kritisiert und ich muß auch nicht betonen, daß wir immer für die Verhältnismäßigkeit der Mittel eintreten. Aber all das hat ja gar nichts mit der demokratischen Verpflichtung zu tun, Kandidaten aufzustellen. Ich sehe darin den Versuch einer Nötigung und auch von Effekthascherei, die ich in keinster Weise akzeptieren kann. Die Partei steht natürlich zur Verfügung und diskutiert auch die polizeilichen Maßnahmen, aber doch nicht als vage Vorfeld-Debatte.

Ist das aber nicht vielleicht auch als Nothilfemaßnahme der Kreuzberger FDPler zu werten, angesichts einer brisanten Situation nochmal die Gesamtpartei zum Problem Kreuzberg in die Pflicht zu nehmen?

Für mich hat das nichts mit Nothilfe zu tun. Die Kreuzberger versuchen hier, eine Verbindung zum Thema zu machen, die ich nicht akzeptieren kann. Jeder weiß, daß wir uns auf Landesebene selbstverständlich mit Kreuzberg beschäftigt haben und auch weiter nach Lösungen für den Bezirk suchen.

Wie groß ist die Kreuzberger FDP-Gruppe?

Es ist einer der kleinsten FDP-Bezirke in der Stadt mit circa 30 Mitgliedern.

Wieviele Wähler hatte die FDP bei den letzten Abgeordnetenhauswahlen in SO36 und SW61?

Wir lagen bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung unter fünf Prozent.

Interview: Georgia Tornow

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