: Ein Vergleich wie beim Konkurs
■ Ein Modell zur allmählichen Entschuldung wurde gestern von einem britischen Wissenschaftler vorgestellt
Die „Society for International Development“ (Gesellschaft für Internationale Entwicklung) hat gestern in Berlin ein Modell für die Entschuldung der Drittweltländer vorgestellt, das an die Vergleichslösung bei einem zahlungsunfähigen Unternehmen angelehnt ist. Ähnlich wie im Falle eines drohenden Konkurses geht das Modell davon aus, daß die Gläubiger selbst ein Interesse an einer solchen Lösung haben.
Mike Faber vom Entwicklungsinstitut der Universität Sussex, der das Modell vorstellte, nannte denn auch als eine Voraussetzung, daß „alle Handelskredite und vergleichbaren kurzfristigen Kredite weiterhin prompt bedient werden“, weil sie zur Abwicklung der Geschäftstätigkeiten unerläßlich seien. Anders bei den längerfristigen Schulden. Sie sollten nach „einem festen Prozentsatz der Deviseneinnahmen bedient“ werden („15 Prozent“).
Die gezahlten Zinsen sollten dabei „kapitalisiert“, d.h. die Schuldensumme jeweils um den betreffenden Betrag verringert werden. Darüber hinaus sollten die Länder ihre eigenen Schulden zurückkaufen können, wenn Gläubigerbanken ihre Ansprüche versteigern. Zum Zuge kommen sollte dabei diejenige Bank, die den höchsten Abschlag vom Nennwert der Kredite anbietet.
„Wenn es Unternehmen und nicht Staaten wären, die in Schwierigkeiten sind, hätte man die Probleme chronischer Verschuldung schon viel früher in Angriff genommen. Verbindlichkeiten wären umstrukturiert worden, wobei man die Gläubiger gezwungen hätte, beispielsweise 35 Cents für einen Dollar Forderungen zu akzeptieren. Das Management wäre reformiert worden, und die Aktionäre hätten neues Geld nachschießen und eine Minderung ihrer Stimmrechte hinnehmen müssen.“ Damit begründete er sein Vergleichsmodell, zeigte aber auch drastische Konsequenzen für die Schuldnerstaaten auf.
Unter Hinweis auf eine 1987 vorgelegte Studie Thomas Kampffmeyers vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik verwies Faber auf das Beispiel des Londoner Schuldenabkommens, bei dem der Bundesrepublik Deutschland 1953 90 Prozent der Zinsrückstände und die Hälfte der Verbindlichkeiten erlassen wurden. Auch Großbritannien kam 1947 in den Genuß einer Schuldenstreichung gegenüber seinen US-amerikanischen Gläubigern: Alle anfallenden Zinszahlungen, die mehr als zwei Prozent der britischen Devisenerlöse ausmachten, wurden dabei gestrichen (und nicht nur gestundet!).
Der bei der Vorstellung anwesende Chef-Umschuldungsmanager der mexikanischen Regierung begrüßte die Vorschläge Fabers und meinte im übrigen, er könne sich durchaus vorstellen, daß die Schuldnerländer durch Zahlungsverweigerung mehr Druck auf die Gläubiger ausüben könnten - und zwar nicht nur in Einzelaktionen. Es komme darauf an, wie weit sich die Gläubigerländer dadurch bedroht fühlten. Sehr schädlich sei das vorübergehende Zahlungsmoratorium Brasiliens gewesen, weil es mit einer entmutigenden Aufgabe und Entschuldigung geendet habe.
-ulk
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