: Türken wegen Fluchthilfe verhaftet
Türkische Familie kehrt nach Türkei-Reise nicht in die Bundesrepublik zurück / Türkische Polizei wirft ihnen Fluchthilfe für politische Gefangene vor / Freunde in Bremen gründen Solidaritätskomitee ■ Aus Bremen Michael Weisfeld
Für Donnerstag wurden sie in Bremen zurückerwartet. Aber Ahmet Güler und seine Eltern kamen nicht an. Statt ihrer kam ein Anruf. Ahmet habe am Telefon müde und verstört gewirkt, berichtete ein Bekannter. Es seien Stimmen im Hintergrund zu hören gewesen, und Ahmet sei mehrmals unterbrochen worden. „Meine Eltern sind krank“, habe er gesagt. Nach einem vorher verabredeten Code hieß das: „Wir sind verhaftet worden.“
Inzwischen haben Ahmets Bremer Freunde herausgefunden, daß die Familie bei einer Straßenkontrolle kurz hinter Ankara festgenommen worden ist. Wo sie festgehalten werden, und was ihnen vorgeworfen wird, darüber schweigen die türkischen Behörden.
Am 17.August flohen 18 Männer aus dem Gefängnis von Kirshehir (Zentralanatolien). Sie waren wegen revolutionärer Tätigkeit verurteilt worden - bis auf einen alle zum Tode. Bei drei Flüchtlingen waren die Todesurteile schon vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden, konnten also jederzeit vollstreckt werden. Von ihrem Zellentrakt aus gruben sie einen über 100 Meter langen Tunnel in die Freiheit.
Die Polizei machte Razzien bei den Verwandten der Geflohenen sowie bei ehemaligen politischen Gefangenen. In den letzten Wochen nahm sie Hunderte von Menschen fest. Außer Ahmet Güler und seinen Eltern ist unter den Festgenommenen noch ein Türke, der in der Bundesrepublik lebt: Der Lehrer Oguz Lüle aus München.
Eine indirekte Bestätigung der Verhaftung Ahmet Gülers lieferte die türkische Boulevardzeitung 'Milliyet‘: Am Donnerstag, zwei Tage nach der Verhaftung der Gülers, berichtete sie, daß die Todeskandidaten bei ihrer Flucht einen VW aus Bremen benutzt hätten. In der Zeitung war auch das Kennzeichen zu lesen: Es war Ahmet Gülers Auto.
Die Bremer Freunde der Gülers gehen seitdem davon aus, daß die Polizei Ahmet Güler mit der Flucht der Todeskandidaten in Verbindung bringen will.
Warum die Polizei Güler die Gelegenheit gab, zwei Tage nach seiner Festnahme in Bremen anzurufen, ist bisher unklar. Offensichtlich erhoffte sie sich von den Gespräch Erkenntnisse über seine Verbindungen in die Bundesrepublik Deutschland.
Ahmet Güler war vor dem Militärputsch 1980 in der Türkei politisch aktiv und saß drei Monate im Gefängnis. Seitdem lebt er in der BRD, wo er seit zwei Jahren den türkischen Buchladen „Fidan“ in Bremen betreibt.
Seine Eltern kamen vor 20 Jahren nach Bremen. Sein Vater arbeitet bei Daimler-Benz und mußte gestern eigentlich seine Arbeit wieder aufnehmen. Wegen einer Herzkrankheit ist er ständig auf Medikamente und ärztliche Behandlung angewiesen.
In Bremen haben Freunde der Gülers und Kunden des Buchladens „Fidan“ ein „Komitee für die Freilassung von Oguz Lüle und der Familie Güler“ gegründet. Das Komitee geht davon aus, daß Ahmet Güler und seine Eltern gefoltert werden.
Spendenkonto: 12078259
bei der Sparkasse Bremen
Stichwort: „Solidaritätskomitee“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen