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Jaruzelski ruft Rakowski

Polen: Der Reformer und Solidarnosc-Kritiker zum Regierungschef gewählt / Zurückhaltende Reaktion Walesas: Nicht die Taten der Vergangenheit zählen  ■  Von Matthias Geis

Berlin (taz) - Das polnische Parlament hat einen Reform -Politiker, der gleichzeitg scharfer Kritiker von Solidarnosc ist, zum neuen Ministerpräsidenten gewählt: Mieczyslaw Rakowski. Für den 61jährigen stimmten am Dienstag 338 Abgeordnete, bei fünf Gegenstimmen und 38 Enthaltungen. Rakowski war am Montag vom Zentralkomitee der PVAP als einziger Kandidat für die Nachfolge von Zbigniew Messner nominiert worden, der am 19.September nach scharfer Kritik an der Wirtschaftspolitik seiner Regierung zurückgetreten war. Staats- und Parteichef Wojciech Jaruzelski hatte vor der Wahl Rakowskis im Parlament angekündigt, daß die neue polnische Regierung offen für Dialog und Reformen sein werde. Auch der neue Ministerpräsident kündigte in einer Rede nach der Wahl an, sein Kabinett, das er im Laufe der nächsten beiden Wochen berufen wolle, werde sich durch soziales Bewußtsein und Mitglieder mit „reformerischer Haltung“ auszeichnen. Rakowski versprach, die Politik der künftigen Regierung auf eine breitere Basis zu stellen, indem er auch andere gesellschaftliche Kräfte in die Gestaltung der Politik einbeziehen wolle. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf“, sagte Rakowski, „daß ich eine Koalitionsregierung vorschlagen kann, die sich auf eine breitere politische Vertretung stützt als bisher.“

Rakowski versprach in seiner Rede, daß er konsequent für politische und ökonomische Reformen eintreten werde. In diesem Zusammenhang verwies er - in Anspielung auf die sowjetische Entwicklung - auf die einmalig günstige internationale Lage. Die Verhängung des Kriegsrechtes 1981 bezeichnete Rakowski als „bitteren und schweren Entschluß zur Rettung des Landes. Ohne diesen Schritt wäre die gegenwärtige Demokratisierung nicht möglich gewesen. Als wichtigste Aufgabe der neuen Regierung bezeichnete er es, das Ver Fortsetzung auf Seite 2

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Portrait auf Seite 10

Interview auf Seite 11

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trauen der Bevölkerung zurückzugewinnen.

Ob ihm das gelingen wird, bleibt jedoch zunächst zweifelhaft. Denn Rakowski gilt nicht nur als konsequenter Reformer des ökonomischen und politischen Systems, er gilt zugleich als entschiedener Gegner der verbotenen Gewerkschaft Solidarinosc, mit der er 1981 die Verhandlungen führte. Nach dem Scheitern des Dialogs tat sich Rakowski als entschiedener Befürworter des Kriegsrechtes hervor. Noch in jüngster Zeit hatte er sich in Interviews zwar für eine politische Öffnung, aber gegen eine Legalisierung der Solidarnosc ausgesprochen. Wegen dieser Haltung dürfte Rakowski auch für die konservativen Kräfte in Partei und Opposition konsensfähig sein. Gerade das wird die Skepsis ihm gegenüber innerhalb der Opposition weiter verstärken. Solidaritäts-Führer Lech Walesa äußerte sich denn auch in einer ersten Stellungnahme abwartend ironisch zur Nominierung Rakowskis. In Anlehnung an eine Propagandaformel der Partei sagte Walesa, wichtig sei nicht, woher einer komme, sondern mit welchem Programm er antrete. Möglicherweise sei Rakowski „ausreichend intelligent“, um eine pluralistische Öffnung des Systems zu befürworten. Wegen seiner bislang kompromißlosen Haltung gegenüber Solidarnosc bedeutet die Wahl Rakowskis kein eindeutig positives Signal für die Mitte Oktober beginnenden Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition. Denn die Opposition geht mit der Forderung einer Wiederzulassung der Solidarität an den „runden Tisch“.

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