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SPD-Palaver zur Gentechnologie

Auf „Zukunftskongreß“ spricht sich SPD gegen generelles Verbot der Gentechnologie aus / Entwicklung neuer Technologien als Herausforderung an die Politik / Mensch soll Maßstab der Entwicklung bleiben  ■  Von W. Zimmermann-Hedewig

München (taz) - Wo liegen die Chancen, wo die Risiken der Gentechnologie? Gibt es ein genetisches Risiko? Und wenn ja, wie ist diesem Risiko zu begegnen? Auf diese und weitere Fragen suchten die Teilnehmer am „Zukunftskongreß“ der bayrischen SPD-Landtagsfraktion gestern Antworten zu finden. Antworten, die, so die ReferentInnen unisono, lediglich Teilantworten sein können angesichts der Komplexität der Materie. Offenbar ist sie jedoch nicht so komplex, daß die SPD nicht wenigstens eine Antwort fand: Sie sprach sich gegen ein generelles Verbot der Gentechnologie aus.

Der bayrische SPD-Vorsitzende Hiersemann bezeichnete in seinem Grußwort die Entwicklung neuer Technologien als große Herausforderung an die Politik, als eine wesentliche Gestaltungsaufgabe. Diese Technologien jedoch dürften den Menschen nicht überfordern, sondern menschliche Nachlässigkeiten und Fehler erlauben, ohne unvertretbare Risiken zu schaffen. Der Mensch als „das primäre Maß jeder technologischen Entwicklung“ war der Slogan der SPD.

Unter Gentechnologie versteht man Methoden zur gezielten Isolierung von genetischem Material, zu seiner Charakterisierung und zu seiner Übertragung von einem auf einen anderen Organismus. Da der Code, in dem die Information für das Leben im Erbmaterial verschlüsselt vorliegt, universell ist, reicht diese Technologie in die gesamte Biologie hinein.

Angesichts der Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten lasse sich, so Ernst Ludwig Winnacker, Direktor des Laboratoriums für molekulare Biologie am Genzentrum bei München, über den Einsatz und die Entwicklung dieser Technologie kein allgemeines Urteil fällen, etwa in dem Sinne: „Gentechnologie ist gut oder schlecht“.

Chancen und Risiken ließen sich nicht pauschal beurteilen. Man müsse in der öffentlichen Diskussion zu einer differenzierten Betrachtungsweise zurückfinden und weg vom Bild der Befruchtung im Reagenzglas oder dem der Leihmutter. Winnacker hob hervor, welche Möglichkeiten diese Technologie der Medizin und der biologischen Grundlagenforschung biete. So arbeite man derzeit an einem Protein, das den HIV-Virus im Blutkreislauf abfangen und am Eindringen in die Zellen hindern soll. In der Biologie habe die Ära der „synthetischen Biologie“ begonnen. Mit Hilfe gentechnischer Verfahren könnten Nutzpflanzen widerstandsfähiger gemacht werden gegen Insektenschädlinge oder Pilzbefall.

Die Gefahren genetischer Manipulationen an Pflanzen und Tieren zur Ertragssteigerung hob Alfred Seitz vom Zoologischen Institut der Universität Mainz hervor. Natürliche Arten könnten verdrängt werden, noch existierende genetische Information könne verloren gehen und die einseitige Anpassung an die Umwelt könnte für Pflanzen und Tiere die Möglichkeit vermindern, auf eine sich verändernde Umwelt zu reagieren. Die Vielfalt der Arten könnte so nach und nach verloren gehen. Kein Grund zur Aufregung für den, der in Rentabilitätskategorien denke, aber eben eine Verarmung der Welt und ein großes Risiko.

Zur Leitvorstellung dieser modernen Naturwissenschaft gehört laut Rainer Hohlfeld vom Institut für Gesellschaft und Wissenschaft an der Universität Erlangen die totale Kontrolle der Phänomene im Labor. Die Phänomene würden als wissenschaftliche Objekte modelliert und konstruiert und von den natürlichen Gegebenheiten abstrahiert. Sie würden ihrer „Natur“ beraubt.

Werde nun diese im Labor hergestellte zweite Natur im Rahmen der großtechnischen Nutzung in die erste Natur zurückversetzt, so ist deren Wechselwirkung mit der noch vorhandenen Restnatur unbekannt. Die Labornatur könne von ihrer Logik und Methode her keine Rechenschaft darüber ablegen, was geschieht, wenn sie großtechnisch zum Einsatz kommt und nicht als geschlossenes System gehandhabt wird. Ein Unsicherheitsfaktor, der von Wissenschaft und Technik nicht gelöst werden kann, da er jenseits ihrer Horizonte liegt.

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