: Avanti, avanti, ragazzi
■ Zweimal Schlachthof statt Pizzeria: Bell'Italia mit Jazz und Theater statt Pasta
In der Jugendbildungsstätte Bredbeck bei Osterholz -Scharmbeck gibt es gerade eine Konzertreihe mit einem Dutzend Musikerinnen aus dem norditalienischen Padua und doppelt so vielen norddeutschen KollegInnen, die neben neapolitanisch inspiriertem Jazz, Big-Band-Sound und Step -Tanz vor allem auch kulturpolitische Anregungen für die hiesige, in ABM-und Sponsoren-Diskussion gefangene Breitenkultur verspricht.
Die italienischen MusikerInnen sind ausnahmslos MitgliederInnen der „Communita per le libre attivita culturali“ (Gesellschaft für freie kulturelle Aktivitäten). Die CLAC, ein Zusammenschluß aus 25 parteiunabhängigen Ökologie-und Kulturgruppen der Region Veneto, besetzt seit acht Jahren den denkmalgeschützten, vom 500 Jahre alten Stadtwall umgebenen Schlachthof im Zentrum Paduas. In Feierabendarbeit haben die zumeist berufstätigen MitarbeiterInnen regionaler Musik-und Thaterinitiativen gemeinsam mit AktivistInnen vom Vogelschutzbund und World Wild Life Fund aus dem heruntergekommenen 2ha großen Gelände ein „laboratori culturali“ gemacht, in dem heute 30.000 BesucherInnen pro Jahr den Umgang mit Natur und Noten üben.
„Wir benötign dringend überregionale Solidarität“, sagt Luisa Piva, deren Vater vor 13 Jahren die CLAC aus Sorge um den Raubbau an den Euganäischen Hügeln und die Stadtzerstörung Paduas mitbegründet hat. Ähnlich wie im Fall des Bremer Teerhofs macht sich auch in Padua sozialdemokratische Modernisierungspolitik über architektonische Sahnestücke im Innenstandtbereich her. Im Moment schickt der sozialistische Stadtrat einen privaten Discothekenbetreiber vor, um im „Ex-macello“ einen kommerziellen Freizeitpark zu installieren. „Wir werden aber auf keinen Fall unsere Autonomie preisge
ben und uns auf parteipolitische Intrigen einlassen“, erläutert Elonora Rampazzo ein ehernes Gesetz der CLAC. Sie fungiert während des Aufenthaltes in Breedbeck auch als Dolmetscherin und hat in mühevoller Kleinarbeit Anschauungsmaterial übersetzt, das das Musikprogramm ergänzt.
Für die Jugendbildungsstätte Bredbeck ist dies bereits das 12. Projekt, das sie im Rahmen der Partnerschaft Niedersachsens mit der Region Veneto gemeinsam mit CLAC organisiert. Frank Bobra, pädagogischer Mitarbeiter der Bildungsstätte, hebt besonders die Ergebnisse der öko -technische Zusammenarbeit hervor: „Wir haben im ex -macello geholfen, ein Biotop, eine Kräuterspirale und eine Wurmzucht anzulegen“. Auch Gräser aus dem Teufelsmoor wachsen neben heimischen Aromapflanzen.
An dem laufenden Musik-und Theaterprojekt beteiligen sich jeweils vier Amateuergruppen aus Padua und dem Raum Osterholz. Heute abend kommt es dabei zum Treffen der Schlachthöfe. Ab 20 Uhr gibt es in der Kesselhalle des Bremer Schlachthofs italienischen Jazz der Gruppe Reporter, eine Schlagzeugperformance von Massimo Aiello zu klassischer Musik von Rossini und Step-Musik der 30er Jahre von „gin and the tonics„ und die CLAC-Bigband mit Jazz und Rock in italienisch-deutscher Besetzung.
Morgen spielt um 20 Uhr im Osterholzer „Rumpelstielzchen“ das absurde Campingtheater „I Campeggiatori„, bevor die Gruppen (nach dem Abschluß-Konzert der CLAC-Bigband, 22 Uhr im Kleinbahnhof OHZ) gemeinsam nach Italien weiterreisen, wo dann die deutschen Gruppen auftreten. Hierbleiben wird eine Foto-Ausstellung venetischer Landschaften von Moreno Segafredo, die ab morgen abend ebenfalls im Kleinbahnhof zu sehen ist.
Ralf-Peter Lorenzen
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