Offen trudeln, sauber klappen

■ Von der Faszination des Machbaren, Montag, 26.9., Nordkette, 1915

Am Montag durften wir im 3. Programm vermittels Kamera das Trickstudio des SFB angucken. Holla! Da sitzen die 13. Monatsgehälter vortrefflichst betriebsklimatisiert und drücken feixend ein Knöpfchen: Schwupp! In gewohnter Weise trudelt hic et nunc ein Bild ab in die Tiefe des Röhrenraumes. Der digitale Video-Effektgenerator! Manch faltiger Sendung macht er ein Face-Lifting am Vorspann, meist in Form einer Veredelkitschung. Jetzt wurde aber mal alles gemacht, was man sonst alles nicht machen darf.

Zunächst also der ganze Quatsch, den man zur Genüge vom Musikvideoclip her kennt und - Nam, Nam, Nam! - von Nam Yun Paik. Die Aprilscherznummer: irgendeiner zweimal nebeneinander. Falschfarben. Aber dann gings richtig los. Eine Mischung aus Stalins Fotoretusche und Steven Spielberg. Hierzu noch die gute 'Bild'- und 'BZ'-Art, sich die besten Geschichten selbst zu inszenieren. Kanzler Kohl wurde manipuliert, am Auge wurde ihm rumgeschnitten, eine lange Nase gezogen, dann setzte man ihn aufs Glaubwürdigste zwischen die Vemummten und Militanten. Für Minuten bekamen die Verbeamteten Feuer ins Auge („Scheiben brennender Irrenhäuser“), und mit Wucht kehrte die Wiederkehr des Verdrängten wieder! Alsdann stopp! Eine blöd- und naturwüchsige Vernunft bekam Bedenken. Darf man alles machen, was möglich ist? (darf man alles schreiben, was eigentlich unmöglich ist? d.Spr.) Bei der Berliner Abendschau natürlich nicht. Dort schwindelt man noch auf die konventionelle, diskursive Weise. Also auf die vernünftige.

Nun sah ich jüngst Infermental-Videos. Und dort geht es los, wo's längst armselig und angstkodiert an den teuren Geräten im SFB aufhört. Es war ja mal beabsichtigt, die Wahrnehmung der Menschen mithilfe von LSD in der Wasserversorgung zu revolutionieren. Eine Gesellsachaft, die solcherlei Drogenpolitik ausschließt, muß sich auf anderes gefaßt machen. Silizium! Man kann Sachen sehen, die so noch nie zu sehen waren. Eine Erfahrung wird besagen, daß es Sachen gibt, die gibt's gar nicht! Aber sowas ahnen sie dort in den Trickstudios der Sender noch gar nicht.

Kurz: Wir sahen Ahnungslose vor Millionenapparaturen und müssen wohl doch häufiger ins Kino, wo sie längst Bescheid wissen.

Thomas Kapielski