Sport und Wirtschaft eng umschlungen

Wenig olympischer Geist umweht das „Deutsche Haus“ in der südkoreanischen Hauptstadt  ■  Aus Seoul Herr Thömmes

Das „Deutsche Haus“ in Seoul hat weder Fachwerk noch roten Backstein, weder Satteldach noch Gartenzwerg. Es liegt im hochmodernen „Korea Exhibition Center“, dritter Stock, und wer durch die hohe Eingangshalle mit der Gemütlichkeit eines Krankenhausflurs und die zwei Rolltreppen endlich den Fuß über die Schwelle setzt, schaut erst einmal irritiert um sich.

Viel Chrom, Schautafeln, angestrahlte Ausstellungsstücke, Prospekte; es könnte sich um irgendeine Industriemesse handeln. Doch es ist mehr, für die großen Sportführer wie Willi Daume und Josef Neckermann vielleicht die Erfüllung ihrer Träume: Für knapp drei Wochen liegen hier Sport und Wirtschaft eng umschlungen beieinander. Und Hamburgs Bürgermeister Voscherau gab den beiden bei der Eröffnung weihevoll seinen Segen: „Möge das Deutsche Haus dem Olympischen Gedanken dienen.“

Der Quadratmeterpreis von 850 Mark ist nicht von Pappe, und wer hier antritt, muß sich das etwas kosten lassen; die beiden optisch dominanten süddeutschen Autohersteller zahlen zusammen zwei Millionen DM. Erstaunlich ist die Anwesenheit der Städte Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und Berlin; auch der Ruhrpott ist dabei. Gebuhlt wird um die Olympischen Spiele im Jahre 2004, und fair ist dieser Wettkampf nicht gerade. Nicht nur, daß die Schwaben mit 450.000 Mark ein vielfaches von Johannes Raus Pleiteregion einsetzen können, sie fahren im Schlepptau des großen Standes von Daimler, so wie die Frankfurter ihren Chemiekonzern dabei haben.

Doch im Grunde war von Olympia nur auf der Eröffnungsfeier die Rede, und es wächst der Verdacht, es ginge vielmehr um ganz ordinäre Imagepflege. Oder auch nur darum, ein wenig miteinander zu feiern, und sei es nur sich selbst. Und so taumelt Tag für Tag, wer sich auf einen Rundgang durch die weitläufige „Atlantic Hall“ begibt, von einem Empfang in den anderen; selbst für geübte Spesenesser ist das kaum zu packen.

Natürlich sind auch Sportler da, Medaillengewinner ebenso wie unsere Enttäuschungen, aber nicht in einem solchen Maße, als daß sie richtig stören würden; vorherrschend ist der dunkelblaue Anzug. Von größerer Bedeutung ist, daß das Nationale Olympische Komitee hier nistet. Pünktlich um 18 Uhr eröffnet der Präsident des deutschen Sportbundes (DSB), Hans Hansen, die tägliche Pressekonferenz, und er macht dies im Zeichen der Ringe ebenso routiniert, wie er das für seinen ehemaligen Dienstherrn Uwe Barschel erledigt hat. „Irgendwelche Fragen?“ Das ist in der Regel „nicht der Fall“, und Hansen kann das Wort weitergeben an Helmut Meyer.

Der leitende Direktor des Bundesausschusses Leistungssport (BAL) gibt knapp und korrekt den Rapport zum Geschehen des Tages, akkumuliert hurtig das bisherige Abschneiden („28mal die Plätze 1 bis 8 in 23 Wettbewerben“), sortiert „Licht und Schatten“, hakt dort nach, „wo wir mehr erwartet haben“. Dann spendet Medaillen-Melder Meyer Lob, wo vor dem Feind nicht gekniffen wurde: „Aus dem Boxerlager gibt es erst eine Verlustmeldung.“

So erfreuliche Nachrichten wie auch die, daß „genug Graubrot da ist“ (DSV-Chef Hollemann), können dann durchaus untergehen in dem Lärm, den die Hanns-Seidel-Stiftung nebenan macht. Die CSUler feiern die Übergabe eines Mähdreschers an ein koreanisches Dorf, und es ist schade, daß von den Bauern keiner sehen kann, was dessen Einsatz alles einbringt: 40 Meter Länge dürfte das kalte Buffett schon haben.

Für den, der in der Fremde weilt, ist das Deutsche Haus eine segensreiche Einrichtung. Geplagt von Reis und eingelegtem Weißkohl laben wir uns gern an den heimischen Produkten: Brezeln, Maultaschen, Frankfurter Würstchen, Linsensuppe. Genuß, der Sinn für die Gemeinschaft entstehen läßt: Die Sportler stecken in den Hemden der Sponsoren und werden fotografiert; Journalisten lassen ab von der ewigen Distanz und moderieren Gespräche im Auftrag der Aussteller. So werden Gräben überwunden und Mauern eingerissen; im Grunde steckt hinter der Modernität des Deutsches Hauses die letzte Bastion der olympischen Idee: Wir sind alle eine Familie.