piwik no script img

UNENTSCHIEDEN

■ Alexis Pope in der Pianowerkstatt im AIK

Zuerst konnte ich es nicht finden. Wie ein Polizeistrahler blendet das „Dörfchen“, ein Meditationszentrum für Leute, die das Lächeln gepachtet haben. Daneben, völlig im Dunkeln, liegt das AIK. Ich höre gedämpfte Musik, drücke die Tür und steh‘ in einem Krematorium. Hinter mir ein schwarzer Vorhang, vor mir ein schwarzer Vorhang, dazwischen fünf Frauen, zwei Männer, ein Bechsteinflügel und Alexis Pope.

Alexis Pope hämmert, sticht, schlägt und quetscht aggressiv die Tasten, wie zu einer Messe für einen Freiheitskämpfer, an der nur Spitzel teilnehmen. Er zeigt keine Gefühle, gibt sich keinen Stimmungen hin, als ob er Angst hat, Freunde zu verraten. Er spielt nur Eigenkompositionen. „For your tears“ beginnt mit leisen Ratschlägen, doch gleich darauf stürzt die linke wie ein Greifvogel über die rechte Hand, die mit schnellen Trippelschritten zu entkommen versucht. Immer wieder zeigt er diesen Kampf, drückt die Pedale und zupft manchmal an den Saiten. Das Ende ist immer unentschieden. Die Kompositionen ähneln sich, Dr.Jekyll und Mr.Hyde finden keine Ruhe.

In der Pause meint eine ältere Dame bissig: „Das Beste an ihm ist der Bechstein und sein weißes Jackett.“ Sie liebt Horowitz und die Waldbühne. Mit dem ersteren hat Alexis Pope nichts im Sinn und für den tristen, lieblosen Hort des „Vereins zur Förderung des Ateliers Internationale Kunst“ kann er nichts.

u.k.

In Zusammenarbeit mit der Werkstatt Berlin 1988 e.V. und Stadtmusik spielt Alexis Pope noch mal am 30.9. im AIK. Beginn 20.30 Uhr, Eintritt 15 Mark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen