: Redeverbot zu Neckarwestheim
■ Baden-Württembergs Wirtschaftsminister untersagt dem Leiter des geologischen Landesamtes eine Stellungnahme zu den geologischen Risiken unter Block zwei des AKW Neckarwestheim
Von Dietrich Willier
Stuttgart (taz) - Durch Verhängung eines Maulkorbs will Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Martin Herzog eine Experten-Stellungnahme zu den jüngst erneut belegten geologischen Risiken im Untergrund des zweiten Blocks des AKW Neckarwestheim verhindern. Dem Leiter des geologischen Landesamtes, Prof. Damm, wurde untersagt, sich zu den Risiken zu äußern. Vor wenigen Wochen hatte der Stuttgarter Geologe Dr.Behmel erneut auf die Risiken durch zwei gegeneinander arbeitende geologische Platten sowie die Erdspalte unter dem Neubau des letzten Atomkraftwerks dieses Jahrtausends hingewiesen. Nach Ansicht von Geologen und Reaktorsicherheitsexperten könnte eine Verschiebung der Platten zu einer Zerstörung wichtiger Versorgungsleitungen, und die festgestellten Hohlräume im Untergrund des AKW's schlimmstenfalls zu einer Absenkung des Reaktors führen. Die Vorwürfe, die bereits in der ersten Genehmigungsphase vor zehn Jahren laut geworden waren, sind von der Landesregierung erneut als unbegründet zurückgewiesen worden.
Die Landtagsfraktion der baden-württembergischen SPD und die Grünen hatten daraufhin in einer gestrigen Parlamentsdebatte die Wiederaufnahme des Genehmigungsverfahrens gefordert und sich gegen eine Inbetriebnahme des Reaktorblocks Zwei ausgesprochen. Für die kommende Woche hatte die SPD zur weiteren Klärung geologischer Fragen auch den Leiter des Stuttgarter geologischen Landesamtes, Prof.Dr. Damm, als Experten geladen. Damm hatte seine Teilnahme bereits zugesagt. Gegenüber der SPD hatte der Professor bereits geäußert, daß nach neuesten Erkenntnissen an der Behmel-Expertise „was dran“ sei. Ähnlich soll sich der Geologe auch gegenüber dem Wirtschaftsministerium geäußert haben. Offenbar aus Angst vor einer erneuten öffentlichen Debatte über die geologischen Risiken von Neckarwestheim hat Wirtschaftsminister Martin Herzog gestern den Auftritt des Geologen untersagt. Herzog: „Ich sehe keinen Spielraum dafür, daß sich Landesbeamte zu diesem Sachverhalt äußern sollen.“
Die Sozialdemokraten, die noch vor einem Monat den Antrag der Grünen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzurichten, abgelehnt hatten, wollen jetzt juristische Maßnahmen zur Wiederaufnahme des Neckarwestheimer Genehmigungsverfahrens prüfen.
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