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Groß- und Kleinvieh für den Amtsleiter

Das erste große Verfahren im Frankfurter Bestechungsskandal hat begonnen / Leiter des Garten- und Friedhofsamtes ließ sich beschenken / Eine Nerzjacke unbekannter Herkunft und abgetretene Schuhe, die ersetzt werden wollen  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Mehrere Hühner hat er geschenkt bekommen, Gänseküken, hier ein Schaf, da ein Schaf, dann schottische Highlands-Rinder. Das hatte Folgekosten. Ein Grundstück mußte her, Zäune und Viehunterstände. Eine Tränke brauchte er auch. Als die einen Riß hatte, da mußte eben eine neue Tränke her. Und Viehfutter, 70 Säcke Rübenschnitzel zum Beispiel. Als das liebe Vieh versorgt war, dachte der Ex-Leiter des Frankfurter Garten- und Friedhofsamtes an sich und seine Familie - Frau und zwei halbwüchsige Söhne in Niedermorlen. Dort ist der bodenständige Alfons Wilhelm Weil vor 54 Jahren geboren worden.

Es kamen zu den zwölf Schafen und vier Rindern die Nerzjacke für seine Frau, Goldbarren, eine Orientbrücke, Urlaubsreisen gratis, Kleider für alle, dabei auch Lederklamotten vom Feinsten. Seit Donnerstag steht Alfons Weil wegen Bestechlichkeit und Erpressung vor der 4.Strafkammer des Frankfurter Landgerichts.

Denn das alles bezahlten ihm andere. Sie füllten seine Taschen auch über 20 Jahre hinweg reichlich mit Bargeld. Es läpperten sich, rechnete die Staatsanwaltschaft aus, 750.000 Mark zusammen. Der Amtsleiter, zuständig für die Errichtung und Wartung von Grün- und Sportanlagen, hatte seine Lieblingsfirmen. Sie durften bei der Auftragserteilung damit rechnen, daß er als Berater des Städtischen Vergabeamtes ein gutes Wort für sie einlegte, daß ihre - überhöhten Rechnungen schnell bearbeitet wurden. Die Firma G., spezialisiert auf Grün- und Sportanlagen, ließ sich das zum Schluß pro Woche 800 Mark plus Präsente kosten.

Früher verkehrte das Ehepaar G. mit Weil recht herzlich, 1984 haben sie sich überworfen. Damals wollte Herr G. ihn dazu bewegen, berichtete Weil dem Staatsanwalt, das mit akribischer Genauigkeit betriebene Rechnungswesen lockerer zu handhaben. Das Ehepaar G., inzwischen mit dem Sportdezernenten befreundet, machte Druck. Die beiden wollten mehr Aufträge. Weil kickte sie aus der Liste der Bevorzugten.

Damit begann für ihn, sagte er, der Ärger. Das Ehepaar G. suchte unverzüglich den damaligen Personaldezernenten und heutigen Oberbürgermeister Wolfram Brück auf. Dem zählten sie auf, wieviel Kleider, Uhren und ähnliches sie in den Amtsleiter investiert hatten. Brück zitierte Weil zu sich. Der verwies diese Anschuldigungen, dank seiner Ordnungsliebe gut gerüstet mit Quittungen und Belegen, in das Reich der Märchen. Nur bei der Oberbekleidung, da konnte er seine gute Fee nicht verleugnen. Die habe er zugeben müssen. Brück habe ihm damals gesagt, berichtete Weil, eigentlich müsse er ihn rausschmeißen. Aber, soll der Regierende Frankfurter Oberbürgermeister hinzugefügt haben, „dann müßte ich ja die ganze Stadtverwaltung rausschmeißen“.

Weils Aussagen könnten noch ein Nachspiel für Brück haben. Als im Frühjahr 1987 lawinenartig Bestechungen in der Stadtverwaltung ans Licht kamen und gegen rund 300 Bedienstete ermittelt wurde, hatte er beteuert, er habe von nichts gewußt. Allerdings ließ sein Büro den Rechtsanwalt, den Brück seinem Amtsleiter schon 1984 vorsichtshalber empfohlen hatte, Mitte 1985 wissen, daß „die Sache sich erledigt“ habe. Der Oberbürgermeister verbot den MitarbeiterInnen 1987 das Annehmen von Geschenken und - vor allem - das Feiern mit Außenstehenden in der Behörde.

Das trifft die Frankfurter hart, denn nichts tun sie lieber als so richtig schön gemütlich sein miteinander. Und so mutet auch der ganze Bestechungsskandal an. Kaffeefahrten hat es gegeben, eine Radtour mit Grillparty, Rubbellose und natürlich Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke, satt und mit unübersehbar hierarchischer Staffelung verteilt. Der Mitarbeiter einer Firma verbrachte seine Freizeit bei Weils auf dem Grundstück. Dort stehen heute noch, so Weil, dessen „rustikale Gartenmöbel“ rum, die ausnahmsweise kein Bestechungsgeschenk sind.

Weil ist ein kleiner, schmaler Mann mit hohen Geheimratsecken und einer scharfen Nase. Er wirkt geschlagen, verbirgt sein Gesicht hinter den Händen. Seine Augen sind rotgerändert. Er fügt den Aussagen, die er während seiner zweimonatigen Untersuchungshaft machte, wenig hinzu. Er bekenne sich schuldig und wisse, daß er bestraft werde, „bestraft werden muß“. Er habe aber nie Druck ausgeübt, nie erpreßt. Besonders die Firma G. übertreibe auch die Höhe der Zuwendungen. Zu all dem Wohlstand sei er eigentlich unfreiwillig gekommen. Die Vorgängerin der Firma G., Frau L., habe ihm eines Tages Geld in die Jackentasche gesteckt. Er habe ihr gesagt, daß er „so etwas“ ablehne. Die Frau habe ihn aber bedrängt, er solle ihr „das nicht antun“. Auch gegen 4.000 Mark, die ihm während seiner Abwesenheit aus der Amtsstube in die Aktentasche gesteckt worden seien, habe er sich nicht wehren können. Später habe er dann einfach alles angenommen.

Seine Aussagen allerdings lassen auf eine recht zielgerichtete Resignation schließen. Da wird mit Firma G. eine Besichtigungsfahrt zu einem Orientteppichhändler unternommen, dessen Waren Weil schätzt. In der Königlichen Porzellanmanufaktur deutet Weil auf die Terrakotten, die ihm gefallen. Der Acker, den er für seine Viehzucht haben möchte, wird gemeinsam besichtigt. Die 70 Sack Rübenschnitzel, die er für das Vieh braucht, bestellt der Firmenchef eben einfach für ihn „mit“ - und bezahlt sie auch. So kommt zum Haus das Gewächshaus nebst Gartenteich. Daß seine Frau plötzlich einen Nerz trug, wundert ihn heute: „Ich wußte nicht, woher die Jacke kam.“

Betroffene schilderten Weils beinahe kindliche Begehrlichkeit, die sich vor allem auf sein teures Hobby, den ökologischen Landbau, richtete. Sein zweites Faible: teure Kleidung. Ganz naiv habe er seine Gönner manchmal gefragt, ob sie nicht mit ihm „Schuhe kaufen gehen“ wollten oder Oberhemden oder Jacketts. Wie absichtslos ließ er dabei schon mal die Bemerkung fallen, er sei zu „Herrn Brück“ geladen. Mit so abgetretenen Schuhen könne er dort nicht hingehen. Wer bei dem Einkaufsbummel zahlte, war von vornherein klar. Das sei, sagt er selber, „eine unausgesprochene Vereinbarung“ gewesen.

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