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Lependige Farpenbracht

■ Der Bremer Kunstfrühling erweist sich in der Galerie El Patio als sehenswert international: eine Japanerin, eine Chilenin und ein Türke stellen ihre unterschiedlichen Kunstwerke aus

Eine „Raube im brasselnden Regen“ - ist dies tatsächlich gleichzusetzen mit einer „Raupe im prasselnden Regen“? Die fremde Sprache verleitete die japanische Künstlerin Yaeko Osono dazu, diesen witzigen „Irrtum“ begehen, den zum Glück niemand in der Galerie El Patio korrigieren wollte, wo Osno derzeit ihre von Gedichten begleiteten Plastiken mit Bildern des Türken Sami Cimen und Skulpturen der Chilenin Rosa Jaisli ausstellt. Denn was im ersten Moment als bloßer Schreibfehler stutzen läßt, gewinnt plötzlich eine selbstverständliche Logik. Je länger man den Wörtern nachhorcht, um so lebendiger werden sie. Das „fehlerhafte“ B verleiht der Szenerie tausend Stimmen und Farben mehr als das „richtige“ P.

Weniger direkt, aber nichtsdestotrotz leichtfüßig und vieldeutig wie die Wörter, sind die Installationen der Japanerin. Auch sie fordern die Bereitschaft zur sinnlichen Wahrnehmung.

Seit einigen Jahren ergänzt Osono ihre steinernen Bildhauerarbeiten durch verschiedene Materialien aus ihrer japanischen Heimat: Bambus, Japanpapier, Tusche, Stoffe. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht jene mit dem „Rauben -Gedicht“ betextete Installation. Eine Art Altar für jene Kraft, die sie leben und künstlerisch tätig sein läßt. Auf einem nach hinten abfallenden

Holzpodest gibt es einen gemaserten Alabasterstein, eine gehämmerte Kupferschale, in deren Wasser eine brennende Kerze schwimmt, die sich in einer Glasscheibe spiegelt. Ein Bambusholz, ein mit Kalligraphie übersätes Papier, eine mit Stoff bezogene Platte gehören dazu. Handwerkliche Exaktheit werden verknüpft mit ursprünglicher Form und Material. Wie in der zweiten Installation, in der Stämme schmerzhaft durchbohrt erscheinen, wird die kühle Ästhetik durch stille Leidenserfahrung gemildert.

Von einem Innehalten inmitten kränkelnder Unruhe sprechen auch die Alabasterskulpturen der Chilenin Rosa Jaisli, und von einer nachdenklichen Besinnung auf sich selbst. Die anfänglich ins Auge springende Sinnlichkeit, die betonte Weiblichkeit, die sich mit dem Weiß und Rosa des Steins sehr anschaulich paart, offenbart nach kurzer Zeit ein tastendes Verstehen um die Einheit von körperlicher und geistiger Sinnenhaftigkeit, von Schmerz und Glück. Jaisli erreicht diese berührende Ausdruckskraft durch eine respektvolle und zurückhaltende Bearbeitung des Steins, dem sie nie Gewalt antut. Sie läßt sich im Gegenteil von ihm leiten, seinen verschiedenfarbigen Äderungen, seiner Rauhheit, die sie neben der polierten Glätte als Narben zurückläßt.

Der dritte im Bunde dieser Ausstellung ist der Türke Sami Cimen, der wie die beiden Künstlerinnen seit rund zehn Jahren in Bremen lebt. Seine Bilder und Zeichnungen sind auf wenige Elemente und Formen beschränkt, denen wie bei Jaisli und Osono meditative Tendenz zugrunde liegt. Auch seine Bilder machen zunächt durch eine sensible und überlegte Ästhetik auf sich aufmerksam. Cimen nutzt leuchtende Farben, die er in Schwingungen versetzt, in weitgestreckte wellenförmige Bewegungen, die an windübertoste Wüstenhügel genauso erinnern wie an endlose sich biegende Wiesen. Gräser und Zweige waren denn auch offensichtlich Ausgangspunkt für seine Graphitzeichnungen, deren vibrierende Schwärze weit mehr fasziniert als die gelenkte Farbigkeit der Acrylbilder. Auch hier werden die Senkrechte und die Horizontale betont: durch enge blitzende Schlitze inmitten dichtgelagerter Striche und durch schmale Streifen Himmelsblau am oberen Rand.

Zwei Künstlerinnen und ein Künstler aus ganz verschiedenen Kulturkreisen zeigen nicht nur eindrucksvoll, wie sich die jeweilige Herkunft mit den hier gewonnenen Erfahrungen mischt, sondern auch, welche gedanklichen und emotionalen Berührungspunkte es gibt.

Beate Naß

Bis 30.10.

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