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Unterwasser-Rugby - das gibt es wirklich!

■ Kampf um den Silbernen Bären in der Schöneberger Schwimmhalle / Von Paul Langrock (Fotos) und Holger Schacht (Text)

Sie springen wie gejagte Robben auf den Beckenrand. Hustend und prustend liegen sie da. Man sieht Flossen, Schnorchel, Taucherbrille, Ohrenschutz, doppelte Badehose und sich hin und her wälzende Männerkörper. Manche röcheln so schlimm, daß der Gedanke naheliegt, der Tod sei nahe. Luft holen. Zu Atem kommen. Regenerieren. Nach kurzer Dauer stehen sie auf und gehen zu einer kleinen Bank. Dort sitzen die Mitspieler. Der Rest der Truppe - sechs an der Zahl - tummelt sich im brodelnden Wasser. Anweisungen werden geschrien - völlig unmöglich, daß sie gehört werden. Es folgt eine Phase der Konzentration, schließlich - mehr oder minder erholt - geht es wieder ins Bassin. Mehr gibt es nicht zu sehen. Denn oberflächlich betrachtet, im wahrsten Sinne des Wortes, ist Unterwasser-Rugby ein visueller Reinfall. Da kommt ein Tuten aus der Tiefe. Plötzlich jubelt das Team mit den blauen Hosen. Erneutes Tuten - 14 Köpfe recken aus dem kühlen Naß. Warum das geschieht, bleibt selbst für geschulte Augen zumeist unerklärlich.

„Das ist ja unser Dilemma“, sagt Wolfgang Freidling vom Tauchsportclub Berlin (TCB), „weil niemand von außen etwas erkennen kann, bleiben Zuschauer und Sponsoren fern.“ So muß alles aus privaten Schatullen finanziert werden. Dabei sind die Berliner erstklassig. Spielen in der dreigeteilten Bundesliga und wurden in der vergangenen Saison Norddeutscher Meister. Außerdem haben sie einen Weltrekordhalter im Team. Jochen Kolenda tauchte die 50 Meter in 15,4 Sekunden.

„Kommen Sie, kommen sie!“ bittet Freidling, der sich über ein Jahrzehnt um den Aufbau dieser Sportart kümmerte, und führt uns in die Katakomben der Schöneberger Schwimmhalle. Wir werden vor einem Fenster plaziert, durch das alle Aktivitäten unter Wasser gesehen werden können. Was für ein Bild! Da wird gekniffen, gehalten, im Grunde alles gemacht, was auch beim „normalen“ Rugby erlaubt ist. Und Schiedsrichter gibt es auch. Sie kauern mit Sauerstoffflaschen am markierten Spielfeldrand. Gespielt wird mit einem Plastikball, der Salzwasser enthält. Dadurch sinkt die Kugel immer wieder in die Tiefe. Wir sehen zwei verankerte Körbe aus Stahl. Da also muß der Ball hinein. Freidling: „Es ist vernünftig alle 15 bis 20 Sekunden nach Luft zu schnappen. Nur dann können sich die Taucher regenerieren. Manche schaffen sogar drei Minuten gänzlich ohne Sauerstoff.“ Und damit wären wir bei der Taktik. Da die Körbe mit den Körpern der Torhüter abgedeckt werden, läuft es meist darauf hinaus, daß in der Sekunde der Ablösung die meisten Tore fallen. Oft gehe der Luftmangel an die Schmerzgrenze, sagen die Aktiven. Das sei weit schlimmer als die blauen Flecken. Angreifen, so erfahren wir, darf nur der ballführende Spieler. Unterwasser-Rugby sei eigentlich ein aus der Not entstandenes Spiel. „Vielen Tauchern ist das erforderliche Konditionstraining zu langweilig. Also versuchen sie spielerisch Kraft zu tanken“, sagt Wolfgang Freidling.

Am Samstag fand die 17.Auflage des Turnieres im „Kampf um den Silbernen Bären“ statt. Acht Teams aus drei Nationen gingen an den Start. Nach achtstündiger Spieldauer siegte schließlich ein Team aus Malmö. Zweite wurde die Truppe aus Mülheim/Ruhr, und Göteborg mußte sich mit Platz drei begnügen. Auch die Berliner soffen nicht ab.

Am Ende sprang Platz fünf heraus. „Das macht aber nichts, schließlich soll es Spaß bringen“, sagt Wolfgang Freidling zum Abschied. Auch uns hat es Spaß gemacht. Allerdings nur vor dem Unterwasser-Fenster.

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