piwik no script img

Ring frei für den Wettkampf um Olympia 2004

Allen anderen Bewerbern voran hat die Hansestadt Hamburg bereits ein Gutachten über die Hansestadt als Austragungsort der olympischen Sommerspiele 2004 anfertigen lassen / Im Streit um die lukrativen Spiele legen sich mehrere Städte ins Zeug  ■  Aus Hamburg Jan Feddersen

Der olympischen Feuerschale in Seoul ist der Stoff abgedreht. Hamburgs oberster Stadtchef Voscherau, hofft, daß ein ähnliches Modell in 16 Jahren „an der Elbe Auen“ entzündet wird. Als der Bürgermeister vor gut zwei Wochen die südkoreanische Olympiametropole Seoul als erste Station seiner Asientournee ansteuerte, wollte er nämlich nicht nur das von der stadteigenen Hamburg-Messe installierte „Deutsche Haus“ als Treffpunkt bundesdeutscher Wirtschafts-, Sport- und Medienvertreter einweihen. Eigentlicher Zweck seines Abstechers nach Südkorea war die Vorstellung der Stadt Hamburg als möglicher Austragungsort olympischer Sommerspiele im Jahre 2004.

Mit einer „Feasibility-Studie“, einer „Machbarkeitsexpertise“ im Gepäck wollte Voscherau internationalen Sportfunktionären von Fachverbänden und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) die Idee schmackhaft machen, in Hamburg „Sportspiele am Wasser“ ausrichten zu dürfen. Der Hamburger Senat hatte kurz zuvor auf Grundlage dieser umfänglichen Studie entschieden, Hamburg - vorerst - ins nationale Rennen um die Olympiakandidatur zu schicken, das 1996 vom Nationalen Olympischen Komitee (NOK) entschieden wird.

Wettbewerb von Norden bis Süden

Hamburg wird nicht die einzige bundesdeutsche Stadt sein, die das finanziell äußerst lukrative Sportspektakel veranstalten möchte. Auch das Ruhrgebiet, Frankfurt, Stuttgart und - sofern die politischen Verhältnisse es ermöglichen - Berlin wollen beim Rennen um den günstigen ökonomischen Innovationsschub dabeisein. Das Ruhrgebiet hatte bereits 1984 sein Interesse bekundet, seinen maroden Standort durch Olympia-Spiele aufzupolieren. Die Sportstätten wären allesamt vorhanden, auch die Infrastruktur würde olympischen Ansprüchen genügen. „Phantasie dieser Welt - Welt der Phantasie“ haben die Kulturdezernenten der Ruhrpottstädte ihr Kulturprogramm genannt, mit dem der staubigen Kulisse das nötige Ambiente verliehen werden kann. Insider aus dem Umkreis des NOK-Chefs Willi Daume halten die Ruhrgebiets-Ansprüche allerdings für aussichtslos. Die IOC-Bestimmungen sehen zum einen vor, daß die Spiele in einer Stadt und nicht in einer Region abgehalten werden. Außerdem wäre - und dieses Argument zieht wohl am meisten - das Ruhrgebiet international nur schlecht präsentabel.

Frankfurt dagegen ist mit dem Makel ökonomischen Ruins und sozialer Verelendung nicht behaftet. Die Geldmetropole hat ebenfalls ein Olympiagutachten in Auftrag gegeben. Geträumt wird von einer überdachten Mehrzweckhalle für 50.000 Zuschauer und von einem Athletendorf am Mainufer, das nach den Spielen als Wohnraum für gehobene Ansprüche verscherbelt werden soll. Und Frankfurt hat noch einen weiteren Trumpf: Der Deutsche Sport-Bund hat seinen Sitz dort. Die Stadtvertreter könnten ihre symbolischen Geschenke an die Sportmuftis sozusagen gleich um die Ecke a geben.

Ebenfalls mitmischen will das rührige Neckarstädtchen Stuttgart. Oberbürgermeister Manfred Rommel hat in den letzten Jahren nichts unversucht gelassen, seine Stadt als liberal und tolerant zu präsentieren, als Stadt, in der Sportereignisse von einem heiteren Publikum gefeiert werden. Leichtathletik-Europameisterschaften, im nächsten Jahr Turn -Weltmeisterschaften und andere Sportmeetings auf internationalem Niveau weisen Stuttgart weltweit als Sportmetropole aus. Außerdem ist „der gute deutsche Stern“ direkt vor der Haustür - Stuttgart fehlen nur noch die Ruderstrecken und die nötige Infrastruktur zur Abwicklung des Spektakels.

Olympisches Gesamtberlin

Sofern Berlin - Ost und West - sich bewerben würde, würden alle anderen Städte ihre Bewerbung zurückziehen, weil, so Horst Meyer, Goldmedaillengewinner 1968 im Ruderachter, aus der Hamburger Gutachtergruppe, „Olympische Spiele in Gesamt -Berlin einen so hohen politischen Stellenwert hätten, daß niemand die völkerverbindende Symbolik verhindern möchte“.

Als einzige Bewerberstadt hat bislang Hamburg eine Expertise ausarbeiten lassen, nach der nicht nur spekuliert, sondern auch eindeutig bewiesen wird, daß einer Stadt wie Hamburg ökonomisch nichts günstigeres passieren kann, als Olympische Spiele zu veranstalten. Die 1,6-Millionen -Menschen-Stadt an der Elbe will bis 1996 200 Millionen Mark ausgeben, um seine Olympiaambitionen nachhaltig zu untermauern. Mit der Summe sollen die PR-Kampagne (jede Menge Kultur von Kampnagel bis Ohnsorg, internationale Sportveranstaltungen), sowieso nötige infrastrukturelle Maßnahmen wie die Anbindung des provinziellen Flughafens Fuhlsbüttel ans öffentliche Nahverkehrsnetz und der Ankauf von Grund und Boden für die olympischen Bauten finanziert werden. Die Gutachter halten diese Summe für relativ läppisch. Seit den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles weiß beinahe jede Stadtverwaltung auf dem Globus, daß das alle vier Jahre abgehaltene Sportereignis den Stadtsäckel prall gefüllt hinterläßt - Medien und Sponsoren lassen sich den Spaß viel kosten, telegen weltweit in die Wohnstuben gesendet zu werden.

Es winkt das gefüllte Stadtsäckel

So prognostizieren die Hamburger Gutachter nicht nur ein bei erfolgreicher Kandidatur - Investitionsvolumen von knapp vier Milliarden Mark, sondern auch einen langfristigen Finanznutzen von 6,5 Milliarden Märkerlein. Verwiesen wird auf München, wo 1972 die Sommerspiele stattfanden. Die bavarische Hauptstadt zehrt noch heute vom Imagezuwachs durch die damalige Präsentation Münchens als weltoffenes Metropolendorf. Die Gutachter - und also auch Voscherau glauben, daß das schlechte Image Hamburgs mit den Spielen ins Positive gewendet werden kann.

Warum nun ausgerechnet eine so sportfeindliche Stadt wie Hamburg, die heute wegen fehlender Sportanlagen nur mit Mühe und Not den Zuschlag für nationale Sporttitelkämpfe erhält, das erlesenste und lukrativste Sportereignis der Welt veranstalten soll, weisen die Experten ebenfalls auf. Hamburg könnte Spiele der kurzen Wege anbieten. Bis auf Segeln (in Lübeck), Wildwasserkanu (im Harz) und Reiten (in der Lüneburger Heide) würden alle Sportstätten im Umkreis von zwölf Kilometern erreichbar sein. Kern der Anlagen wäre das Olympiastadion in Hafennähe, das nach den Spielen ein gigantisches Medienzentrum beherbergen soll. Clou des Stadions: die Architektur würde von vornherein berücksichtigen, daß mehrere Hundert Kameras aufgestellt werden. Dann könnten sämtliche kleineren Nationen ihr eigenes Olympiaprogramm zusammenstellen und wären nicht mehr von der US-patriotischen Kamerasicht von NBC abhängig. Ein Athletendorf bräuchte nicht gebaut werden. Die Hauptpersonen der Spiele, die in den ökonomischen Langzeitstudien nur die Staffage abgeben, würden auf gecharterten Luxuslinern auf der Elbe unterkommen - pittoresk drapiert zwischen musealen Hafenkränen und alten Speicherhäusern.

Die Hamburger Grün-Alternative Liste hat die Hamburger Ambitionen kritisiert. Den Zweck der 200 Millionen Mark für die Bewerbungskampagne stellt sie zwar nicht grundsätzlich in Frage, doch erinnert sie an die schlichte Tatsache, daß drei der vier Bewerber verlieren müssen, das Geld also rausgeschmissen wäre. „Eine Rechnung, die von vornherein nicht aufgehen soll“, wie ein Gutachter etwas spitz dazu anmerkt.

Hamburgs größtes Hindernis auf dem Wege zu olympischen Weihen, über die das IOC 1997 befindet, werden aber weder Grün-Alternative noch die anderen bundesdeutschen Bewerber sein. Die größte Gefahr droht durch die stadteigene, sozi -verfilzte Bürokratie. „Hamburg muß durch die Ausrichtung internationaler Sportwettkämpfe zeigen, daß es internationalem Niveau standhalten kann“, sagt Mit-Gutachter Jan Schreiber, ehemals aktiv bei den „SportlerInnen für den Frieden“ und Ex-Sportfunktionär. Schön gesagt. Besonders wenn man bedenkt, daß Hamburgs Bewerbung um die Gymnastrada (internationales Turnfest) nur daran scheiterte, daß ein sozialdemokratischer Sportfunktionär nicht nach Rom zur Kandidatenkür reisen wollte. Er zog es vor - es war Wahltag in Hamburg - im Wahlkreis Henning Voscheraus grüne und weiße Stimmzettel auszuzählen. Die Gutachter zogen daraus die Konsequenz und fordern die Organisation von Bewerbungskampagne und möglicher Ausrichtung durch nichtbehördliche, also professionelle Kräfte. Allein: Wer Hamburgs Politikmühlen kennt, der weiß, daß dieses Ansinnen nichts so sehr gleicht wie einer Quadratur des Kreises.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen