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Brief an Kohl: Denken, dann reden

■ DGB-Chef Breit fährt auf dem Gewerkschaftstag der IG Bau-Steine-Erden erneute Breitseite gegen Kanzler Kohl / Geißler und Blüm schimpfen solidarisch mit ihrem Kanzler / Kohl bleibt stur

Nürnberg (dpa) - Im Konflikt zwischen Kanzler Kohl und den Gewerkschaften hat DGB-Chef Breit dem Kanzler vorgeworfen, durch sein Wort von der „Feindschaft“ die Beziehungen schwer belastet zu haben. Feindbilder seien schneller auf- als abgebaut, sagte Breit am Sonntag in Nürnberg auf dem Gewerkschaftstag der IG Bau-Steine-Erden und mahnte den Kanzler, künftig seine Worte erst einmal abzuwägen. Man könne jeden Tag in der Welt studieren, „wie nahe Feindschaft und Gewalt beieinander liegen“. Bereits am Freitag hatte Breit erklärt, er warte auf eine Antwort des Kanzlers. Grundsätzlich halte er „nichts von durchschnittenen Tischtüchern“.

CDU-Generalsekretär Heiner Geißler nannte die geplanten Aktionstage der Gewerkschaften vom 15. bis 22.Oktober „Agitationswochen“. Geißler sagte, er wolle keine lammfrommen Gewerkschaften. Doch wenn den Aktionen des DGB „die Einseitigkeit so auf die Stirn“ geschrieben sei, würden sich die Spitzenfunktionäre „damit selbst ins Knie schießen“. Den Vorwurf, der DGB plane eine Diffamierungskampagne, hatte Breit zuvor zurückgewiesen. Es gehe um „sachliche Meinungsverschiedenheiten, die sich beim Arbeitnehmer meist in Mark und Pfennig darstellen lassen. Dazu können wir nicht schweigen.“ Als zentrales Gesetzesvorhaben der Koalition gegen die Interessen der meisten Arbeitnehmer bezeichnete Breit in Nürnberg die geplante Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. Bei der Gesundheitsreform würden die Versicherten zur Kasse gebeten.

Kohl hatte betont, er denke nicht daran, etwas zurückzunehmen. Nach Ansicht von Bundesarbeitsminister Blüm (CDU) können klare Worte „reinigend wie ein Gewitter wirken“. Blüm: „Was in manchen Gewerkschaftszeitungen gegen Helmut Kohl und die Bundesregierung steht, ist nicht Kritik, sondern blanker Haß.“ Das müsse man beim Namen nennen dürfen. „Wenn der DGB wie ein Rummelplatzboxer auf die Bundesregierung eindrischt, soll er nicht wie eine Prinzessin auf der Erbse reagieren, wenn wir uns wehren.“ Kohl und Breit sollten sich wieder an einen Tisch setzen und „klare Verhältnisse“ schaffen. Schließlich gehe es um die Zukunft unseres Landes „und nicht um das Verhältnis zweier Privatpersonen“. Mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt 1992 sagte Blüm, dann müßten Gewerkschaft und Bundesregierung zusammenarbeiten, damit „die Erfolge unseres Sozialstaates“ nicht „unter die Räder der europäischen Einheit kommen“.

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