: Dubiose Geschäfte mit AusländerInnen
■ Auf dem „Versicherungsstrich“ macht ein Agent gute Geschäfte: Neben Kfz-Versicherungen dreht er ausländischen Kunden auch noch eine „Lebensberatung“ an
Eine Strafanzeige wegen Betruges steht der „Luna-Immobilien GmbH“ ins Haus. Die Firma in der Sonnenallee 71 betreibt eine Kfz-Versicherungsvermittlung mit einem angeschlossenen „Selbsthilfeverein für ausländische Mitbürger“. Rechtsanwalt Enners stellt die Strafanzeige im Auftrag seiner türkischen Mandantin Tunay Esgin, die am 18.Mai dieses Jahres im Container 34 in der Jüterborger Straße eine Kfz-Versicherung abschließen wollte. Dort traf sie auf Herrn Spengler, der morgens sein Geschäft im Container und nachmittags in seinem Büro betreibt. Im guten Glauben, den Vertrag für ihre Versicherungsdoppelkarte vor sich zu haben, unterschrieb Frau Esgin ihre Beitrittserklärung für den SHV: „Das Papier lag einfach so dazwischen.“ Der Vertrag enthält die Einzugsermächtigung über 150Mark Jahresbeitrag an den Vorstand des Vereins „Spengler - Luna Immobilien GmbH“. Frau Esgin hielt die 150 Mark für die Versicherungssumme.
Wochen später - das Geld ist von ihrem Konto längst abgebucht - erhält sie einen Brief, der ihre SHV -Mitgliedschaft bestätigt. Zitat: „Also keine Scheu, alles was sie ärgert oder betrügt sollte mit uns besprochen werden. Wir können Ihnen mit Sicherheit helfen.“ Und - wie praktisch für Herrn Spengler, der auch diesen Brief als Vorsitzender des SHV zeichnet und über dessen Frau noch bis vor kurzem die „Luna GmbH“ im Handelsregister lief: „Auch sind wir bereit, wenn es darum geht, die günstigste Versicherung oder Geldanlage zu tätigen.“ Frau Esgin schickt eine Kündigung an den „Selbsthilfeverein“ in der Sonnenallee 71. Das Schreiben kommt mit dem Vermerk „Adresse unbekannt“ zurück. Kein Wunder, denn dort befindet sich nur die Versicherungsvermittlung „Luna GmbH“. Bei einem Anruf dort, versichert Herr Spengler jedoch, daß ich mit meiner türkischen Freundin, die asylrechtliche Probleme hat, gerne zur Beratung vorbeikommen kann, wenn sie Mitglied im SHV wird: „Wir haben guten Zulauf, und alle sind sehr zufrieden“.
Statt dessen besuche ich ihn dann mit dem sehr unzufriedenen „SHV-Mitglied“ Frau Esgin in seinem Büro in der Sonnenallee. Herr Spengler erkennt sie nicht wieder und erzählt tränenrührige Geschichten von armen Ausländern, die nicht lesen und nicht schreiben können. Deshalb „haben einige vier Rechtsschutzversicherungen nebeneinander“. Als ich ihn auf Frau Esgins unfreiwillige Mitgliedschaft anspreche, ist's vorbei mit seiner Ausländerfreundlichkeit: „Was ist denn das für 'ne Story?“ Und erbost schreit er Frau Esgin an: „Wenn Sie nicht einverstanden sind, dann unterschreiben Sie eben nicht.“
Die Ausländerbeauftragte Barbara John hat inzwischen auf (Fortsetzung auf Seite 16)
FORTSETZUNG VON SEITE 15
Grund eines Hinweises der Versicherung „Iduna“ über die unseriösen Machenschaften des Herrn Spengler eine Anzeige in den in Berlin erscheinenden türkischen Zeitungen geschaltet. Darin warnt sie vor den Tricks einiger Versicherungsvertreter, die mit Hilfe von Ausländerselbsthilfevereinen Mitgliedsbeiträge abkassieren.
Herr Schulz, Büroleiter der „Iduna“ dementiert nicht, daß die Versicherung mit Herrn Spengler nicht mehr zusammenarbeiten will. Nähere Auskünfte möchte er allerdings nicht geben.
Herr Thoma, Vorsitzender des Ringes Berliner Assekuradeure und Sprecher der Versicherungsvertreter, will von den dubiosen Nebengeschäften seines Kollegen mit Ausländern noch nichts gehört haben. Aber das Motiv dafür ist ihm bekannt: Die Versicherungen nehmen nicht gerne Ausländer unter Vertrag, denn - so steht's in ihren Statistiken - Ausländer bauen fünfmal soviel Unfälle wie Deutsche. Seit 1984 besteht zwar ein Aufnahmezwang in die Haftpflichtversicherung für alle Nationalitäten, aber die Versicherungen signalisieren den Agenten: „Haltet uns die Ausländer vom Leib.“
Vielleicht habe Spengler der Ausländerin nur helfen wollen“, beschönigt Thomas den Betrug des Kollegen. Denn schließlich besorge er den von den Versicherern ungeliebten Kunden die Doppelkarte, und daß er als Geschäftsmann dabei noch was dazu verdienen wolle, versteht Thomas. Dennoch fürchtet er um den Ruf der Branche (was gibt's da noch zu fürchten. halunken sind sie alle. sezza) und will sich jetzt auch im Geschäftsinteresse „um die Angelegenheit kümmern“.
Ein anderer Vertreter, der ungenannt bleiben möchte, erzählt, daß die Versicherungen nur in Ausnahmefällen mit Ausländern eine Teil- oder Vollkaskoversicherung abschließen, etwa nach jahrelanger Unfallfreiheit. Während deutsche Kunden ihre Doppelkarte noch am selben Tag erhalten, könne er sie den Ausländern erst nach einer 14tägigen Prüffrist aushändigen. Deshalb könne es immer wieder passieren, daß „unseriöse Kollegen, die von den Versicherern geschaffene Notlage für Ausländer ausnutzen“.
Die Luna GmbH macht jedenfalls kein schlechtes Geschäft. 70 Mitglieder habe der SHV, erfahre ich von Herrn Spengler, Das sind 10.500 DM Jahresbeiträge. Ob er diese Gelder für unerlaubte Rechtsberatung bezieht, möchte Rechtsanwalt Enners öffentlich-gewerberechtlich überprüfen lassen.
Gitta Düpperthal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen