Begnadigung

(...) Vor einigen Tagen machte ein hoher Rechtsbeamter gegen die Begnadigung Boocks den Einwand, man wolle für Terroristen keinen Sonderstatus schaffen. Jedoch der Umgang mit Terroristen und solchen, die noch lange vor ihrer Verurteilung als Terroristen gelten, strotzt nur so von Sonderregelungen. Für sie wurde extra der Hochsicherheitstrakt gebaut. Isolationshaft, Leibesvisitationen bei den Prozessen von Presse und Besuchern, Ausschluß von Gutachtern und Verteidigern sind keine Seltenheit mehr. Vor allem, und vielleicht am gefährlichsten, wird beim geringsten Verdacht eines Terroranschlags sofort das ganze Umfeld tabuisiert. Ich breche zum Beispiel dieses Tabu, indem ich hier schreibe, daß ich die Prozeßführung gegen Peter-Jürgen Boock von Anfang an ungeheuer ungerecht fand. Er war zur Zeit der Tat drogenabhängig, das Gericht jedoch entließ einen psychologischen Gutachter nach dem anderen, bis es jemanden fand, der in seinem Sinne (ver)urteilte. Der andere ganz wichtige Punkt, der das Urteil auf lebenslänglich hätte wesentlich mildern sollen, war Boocks eigene Einstellung: Im letzten Moment ging ihm die Tragweite der geplanten Tat offensichtlich auf, und, so soll er vor Gericht ausgesagt haben, er entschärfte selber die Bombe, die er zünden sollte, weil er es nicht fertig brächte, Menschen umzubringen. Aber da nicht sein kann, was nicht sein darf, nämlich daß Terroristen auch nur fehlgegangene Menschen sind und nicht irgendwelche seelenlosen Ungeheuer, wurden und werden diese und ähnliche relevante Tatsachen in den Medien aufs fleißigste verschwiegen.

Es scheint, daß Boocks Ex-Verteidiger, Heinrich Hannover, recht hat, der sagte, der Staat brauche seine Terroristen. Denn mit jedem Terroranschlag und jeder Geiselnahme hat er ein Alibi mehr, verschärfte Sicherheitsgesetze zu verabschieden, womit letztlich der mündige Bürger, der mit Sachkenntnissen und gewaltfrei gegen WAA, AKWs, IWF und andere Wahnsinnsprojekte protestiert, mit voller Legalität nicht nur „kriminalisiert“, sondern „terrorisiert“ werden kann. (...)

Merry Cook, Freiburg