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Skins stören Selbstzufriedenheit der DDR

Nach anfänglichem Verschweigen erscheinen in der DDR-Presse nun regelmäßig Berichte über Prozesse gegen Skins / Warum DDR-Jugendliche trotz antifaschistischer Erziehung nazistische Parolen brüllen, wird jedoch nicht öffentlich diskutiert / Nur die Kirche fragt nach gesellschaftlichen Ursachen  ■  Von Karla Trux

Ungebrochene antifaschistische Tradition zelebrierte die DDR Mitte September beim alljährlichen „Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“. Tatsächlich aber sind in den letzten Monaten einige Selbstverständlichkeiten ins Wanken geraten.

Nicht zuletzt war es der DDR-Schriftsteller Stephan Hermlin, der auf wachsende neonazistische und antisemitische Tendenzen verwies und den warnenden Satz sprach: „Natürlich ist für jeden Staat die Selbstzufriedenheit ein entscheidender Fehler.“

Während qua Verfassung der Antifaschismus zur Staatsdoktrin erhoben wurde, können selbst DDR-Medien das höchst unbequeme Phänomen wachsender neonazistischer Umtriebe nicht mehr verschweigen. Seit dem Überfall von Skins auf ein Punk -Konzert in der Ost-Berliner Zionskirche im letzten Jahr häufen sich Berichte über neonazistische Skins, die jüdische Friedhöfe schänden, in aller Öffentlichkeit „NSDAP“ skandieren oder „Sieg Heil“ schreien. Und das nicht nur in Ost-Berlin, sondern auch in Kottbus, Halle, Jena, Leipzig, Weimar, in der früheren KZ-Stadt Oranienburg und in Dresden. Fast jede Woche sind mittlerweile Berichte über Skin -Prozesse nachzulesen, bei denen harte, oft mehrjährige Haftstrafen verhängt werden. Die Frage aber, warum DDR -Jugendliche trotz antifaschistischer Erziehung faschistische Parolen brüllen (siehe Interview), wird in der DDR bislang nur sehr vorsichtig gestellt, eine öffentliche Diskussion über mögliche innergesellschaftliche Ursachen gibt es nicht. Vorrangig wird immer noch in die ideologische Mottenkiste gegriffen und nach bewährtem Muster der Westeinfluß verantwortlich gemacht. Anläßlich einer Sendung des ARD-Magazins Kontraste, in der Interviews mit DDR-Skins gezeigt wurden, hieß es in der 'Jungen Welt‘, der auflagenstärksten Zeitschrift der DDR: Kommentieren würden da „wer weiß wo ausgegabelte DDR-Jugendliche, die sehr stark nach der Kategorie gutbezahlte Kleindarsteller der BRD-Medien riechen“. Die „aufklärenden Worte“ verfaßte Chefredakteur Hans-Dieter Schütt, der schon im Zusammenhang mit dem Skin-Überfall auf die Zionskirche in einem umstrittenen Kommentar Zusammenhänge zwischen neonazistischen Skins und Oppositionsgruppen konstruiert hatte.

Lediglich die CDU-Zeitung 'Neue Zeit‘ wies zaghaft auf Widersprüche hin: „Alle fünf (der angeklagten Skins, d.Red.) hatten in der Schule Gelegenheit, sich über die Zusammenhänge des Faschismus zu bilden (...) Der Vater des Angeklagten Rene K. war während der Nazizeit selbst Repressionen ausgesetzt gewesen (...) Warum war diesen Jugendlichen das Wissen, das ihnen die Schule, wir alle boten, nicht glaubwürdig? Die beisitzende Richterin stellte die Frage.“

Nach Ursachen zu forschen versucht man insbesondere in Kirchenkreisen. „Die antifaschistische Erziehung in der Schule korrespondierte meiner Meinung nach zuwenig mit einem antifaschistischen Bewußtsein“, erklärte der Ost-Berliner Stadtjugendpfarrer Hülsemann als Prozeßbeobachter. Vielleicht sei es nicht gelungen, „tatsächliches Mitgefühl für die Opfer“ zu wecken. Gleichzeitig macht er deutlich, daß der gesellschaftlich geächtete Neonazismus auch eine Möglichkeit sei, „die Tabus der Älteren zu brechen“. Hülsemann warnt allerdings davor, Skins vorschnell als Neonazis abzustempeln. Offensichtlich hätten sie im Gegensatz zu westlichen Skins kein politisches Programm, sondern nähmen nur „diffus Gefühle und Vokabular auf, um sich damit zu identifizieren“.

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