: „Kohl fährt jetzt nicht mehr zum Tegernsee“
Peter Glotz zur veränderten Situation in Bayern nach dem Tod von Franz Josef Strauß ■ I N T E R V I E W
taz:Hat die CSU nach Strauß in Bayern noch eine Daseinsberechtigung, oder wird sie zum Landesverband der CDU? Hat sie sich historisch überholt?
Peter Glotz: Ganz ohne Zweifel wird Helmut Kohl jetzt nicht mehr zum Tegernsee fahren, um dort mit Männerfreunden zu wandern. Kohl wird unbehinderter regieren, und die FDP wird in der Koalition stärker werden. Trotzdem ist die föderalistische Tradition Bayerns groß genug. Auch unter einem anderen Ministerpräsidenten wird die CSU nicht einfach zu einem Landesverband der CDU. Man darf den altbayrisch katholischen Einfluß nicht vergessen, den es in Bayern nach wie vor gibt. Er unterscheidet sich grundlegend von der lutheranisch protestantischen, autoritär konservativen Tradition, wie sie zum Beispiel Leute wie Alfred Dregger verkörpern.
Das CSU-Profil war doch - zumindest in Bayern - fast identisch mit der Person Strauß. Was sind das für Leute, die ihm jetzt nachfolgen? Sind es moderne Konservative oder lediglich farblose Karrieristen im Schatten des großen Meisters?
Das sind Berufspolitiker, die sicherlich nicht die Größe eines Franz Josef Strauß haben. Aber - wenn solche Gründerfiguren abtreten, geht es allen Parteien so, daß dann nicht sofort andere in deren Schuhe passen.
Man sollte allerdings Männer wie einen Alois Glück, der eine katholische ökologische Richtung verkörpert, oder auch die intellektuelle Präzision eines Edmund Stoiber nicht einfach unterschätzen. Ich bin dagegen, politische Gegner kleiner zu machen als sie sind.
Sie kämpfen in Bayern um den Spitzenplatz der SPD für die nächste Landtagswahl. Was ändert sich an ihrem politischen Konzept für 1990 nach dem Tod des CSU-Vorsitzenden?
Ich ging von einer erneuten Kandidatur von Strauß 1990 aus. Ich hatte gehofft, noch bevor die CSU zu einer Umordnung gezwungen wird, die SPD zu einer neuen Schlachtordnung in Bayern organisieren zu können. Ich glaubte, es sei gut, die Position der SPD rechtzeitig zu stärken, bevor dieser Übergang kommt. Das ist nicht mehr möglich.
Wird die CSU 1990 ohne Strauß Probleme bekommen?
Es ist jetzt realistisch, die CSU unter die 50Prozent zu drücken. Man darf allerdings nicht vergessen, daß auch Alfons Goppel, mit dem ich einen Mann wie Max Streibl durchaus vergleichen würde, sehr gute Wahlergebnisse hatte. Aber die strukturellen Probleme für die CSU sind erheblich größer geworden. Es gibt heute diesen populistischen Protest von rechts, von Schönhuber, der keineswegs wirkungslos sein wird.
Ich gehe davon aus, daß für die FDP Hildegard Hamm-Brücher kandidiert. Es wird schon eine neue Situation. Für die SPD kommt es darauf an, selbst stärker zu werden, damit die politischen Veränderungen nicht vor allem bei den kleinen Parteien durchschlagen.
mtm
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