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Strauß, weltweit

Berlin (taz) - Geht es nach den internationalen Pressereaktionen, dann bewegte Strauß die Zeitungsleute der Welt mehr als Steffi Graf und Barschel selig zusammen. Eine Auswahl:

„Sein Problem war, daß er zwar wie ein Preuße sprach, aber ein Bayer war, und daß Preußen nicht zu seinem Deutschland gehörte. Bei den einen erweckte Strauß Angst, weil er zu laut in die Mikrofone schrie und Erinnerungen an vergangene Zeiten wachwerden ließ. Den anderen mißfiel Strauß, weil er recht protzige Feste feierte, bei denen in Barockpalästen pausenlos das Bier floß. Nachdem sie ihn gehaßt oder zumindest gefürchtet hat, ehrt Deutschlands ganze Politikerclique heute Strauß. Aber wirklich um ihn trauern wird man sicher nur in Bayern.“

„Mit Franz Josef Strauß ist eine deutsche Legende tot. (...) Der Umbau Bayerns ist größtenteils das Werk von Franz Josef Strauß. Ohne die Dynamik von Strauß würden die Bayern heute immer noch lediglich jodeln, anstatt auch Autos, Computer und Kernkraftanlagen zu bauen.“

„Er stellte sich als fleischgewordener Kalter Krieg dar, er stand für den Filz von Politik und (Rüstungs-) Industrie, für einen Atomstaat BRD und für noch wirkende Urströme antidemokratischer deutscher Politik. (...) Und dennoch, sein Tod stimmt traurig. Blitzte nicht in seinen Tiraden zuweilen jener anarchisch-bayrische Witz auf?“

„Während der ganzen Geschichte der Bundesrepublik war der am Montag verstorbene Franz Josef Strauß so etwas wie ein Gespenst in der westdeutschen Politik. Ohne daß er eigentlich irgendwann eine dominierende Rolle in der Führung der Nation spielte, stellte er eine ständige Einschüchterungskraft dar, die andere Politiker und Parteien selten zu übergehen wagten...“

„Franz Josef Strauß starb, wie es sich für ihn gehörte: Die Glut verlosch an einem Tag voller Lebensentfaltung - ein Fest mit den Reichen, Politik mit den Großen, Jagd mit den Feinen (...) Strauß war auch ein kluger und äußerst gebildeter Mann, aber nie klug genug, um den Gipfel der Macht zu erreichen.“

„Obwohl er unter den deutschen Politikern der lärmigste Verteidiger des Nationalstolzes war, war er auch derjenige, der den Traum von einem wiedervereinigten Deutschland am wenigsten vorantrieb. Er stellte der Wiedervereinigung die europäische Integration voran und stand deshalb häufig in offenem Streit mit den Sozialdemokraten, für die die Reihenfolge umgekehrt war.“

„Die einzigartige politische Karriere von Franz Josef Strauß beinhaltete ein großes Maß des Häßlichen, des Schlechten und - das muß gesagt sein - des Guten. Die Spiegel-Affäre und seine bösartige und ungenaue Beschreibung Westdeutschlands unter den Sozialdemokraten als einen 'Schweinestall ohnegleichen‘ weist darauf, daß sein Demokratieverständnis schwach ausgebildet war. (...) Unablässige Attacken auf die Bonner Koalition (...) waren das Dauerthema seiner letzten Jahre, als er zu begreifen anfing, daß er niemals Kanzler sein würde und daß ein deutlich geringer talentierter Mann sein Lebensziel blockierte.“

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