: „Kohl hat seine Entgleisung bekräftigt“
DGB-Vizechef Fehrenbach (CDU) weist die Vorwürfe des Kanzlers zu den Herbstaktionen der Gewerkschaft zurück ■ I N T E R V I E W
Interview mit Gustav Fehrenbach (CDU), Stellvertretender Vorsitzender des DGB, zu dem Streit zwischen Bundeskanzler Kohl und den Gewerkschaften.
taz: Herr Fehrenbach, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will die Herbstaktionen des DGB boykottieren. Ihr Parteifreund Helmut Kohl hat dem DGB „Feindschaft“ und „Verunglimpfung“ von „Andersdenkenden“ vorgeworfen.
Gustav Fehrenbach: Ich vermute, diese Töne kommen jetzt, weil es dem Bundeskanzler unangenehm ist, daß es erhebliche Kritik an den im Herbst zur Entscheidung anstehenden Gesetzesvorhaben gibt, die für die Arbeitnehmer von allergrößter Bedeutung sind. Der DGB will durch die Aktionswoche Einfluß auf die parlamentarischen Beratungen nehmen.
Warum aber diese schrillen Töne?
Ich vermute, daß die mit den unterschiedlichen Bewertungen der Gesetzesvorhaben innerhalb der Koalitionsfraktionen zusammenhängen und man es sich jetzt einfacher machen will, indem man den DGB als den bösen Buben darstellt. Das ganze ist ein undemokratisches Verfahren, denn eine Regierungsmehrheit und die sie tragenden Parteien müssen es sich gefallen lassen, daß sich große gesellschaftliche Gruppierungen zu parlamentarischen Beratungen kritisch äußern.
Fühlen Sie sich als CDU-Mitglied von Kanzler Kohl verleumdet?
Nein, ich meine, wir sollten nicht mit gleicher Münze zurückzahlen, denn dann würde die eigentliche Sachdiskussion ausbleiben.
Verlangen Sie, daß der Kanzler sich entschuldigt?
Er hat seine Entgleisung bekräftigt. Wir verlangen, daß er sich auf eine sachliche Auseinandersetzung mit den DGB besinnt.
Die Herbstaktionen des DGB wären ohne diese Kontroverse wohl kaum so ins Gespräch gekommen. Ist das eine geniale PR -Aktion des DGB mit Hilfe des Kanzlers?
Ich glaube nicht, daß dies genial war, aber durch die Art der Handhabung durch den Bundeskanzler finden möglicherweise diese Gesetzesvorhaben auch über den gewerkschaftlichen Bereich hinaus Aufmerksamkeit. Das ist ein von ihm sicher nicht beabsichtigtes Ergebnis.
Interview: Walter Jakobs
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