piwik no script img

Almas Kreuz mit Gustav

■ Premiere von „Alma“ im Packhaustheater / Angela W. Röders mußte vor leeren Stühlen spielen

Fünf Minuten vor Beginn der Aufführung verlieren sich sechs Frauen und ein Mann im Foyer des Packhaustheaters. Es herrscht eine etwas peinliche Stimmung, dennoch findet die Vorstellung statt, schließlich sind zwei PressevertreterInnen im Publikum.

Auch wenn das Thema „Mann - Fraua - Beziehung“ nicht neu ist und in Bremen der Kunst-und Theaterfrühling ausgebrochen ist, hätten das Stück von Francoise Xenakis und die Schauspielerin Angela W. Röders mehr Aufmerksamkeit verdient.

Kernstück des Monologs für eine Schauspielerin ist die 10 -jährige Ehe Alma Schindlers mit Gustav Mahler. Eine Beziehung, die durch klare Rollenzuweisungen gekennzeichnet war. Für Alma Schindler bedeutete dies den Verzicht auf die eigene kompositorische Tätigkeit und Kreativität, die der Ehemann als Konkurrenz, zumindest aber als unpassend für seine Frau empfand. Dies bedeutete auch die Anpassung an die Lebens-und Arbeitsbedingungen des (Ehe-)mannes. Insofern ein exemplarisches Verhältnis.

Mahlers Auffassung über die Beziehung zu Alma werden gleich zu Beginn der Szenenfolge mittels Tonbandeinspielung eines Briefes an seine künftige Ehefrau dem Publikum vorgestellt. Auszüge aus seinen Symphonien und wechselnde Dia -Projektionen

u.a. mit dem Bildnis des Komponisten verdeutlichen die allgegenwärtige Präsenz Mahlers im Leben und Denken Alma Schindlers. All dies schafft eine räumliche Dichte, in der es Angela W. Röders eindrucksvoll gelingt, den Konflikt einer Frau zwischen den Anforderungen des geliebten Mannes und den eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen auszuspielen.

Verhaltene, still vorgetragene Monologe wechseln mit vehement herausgeschrieenen Anklagen und Bekenntnissen an die Adresse des doch nur als Dia-Portrait vorhandenen Mahlers. Sprechweise und Bewegungen einer mechanischen Puppe, unterlegt mit Metronomschlägen, veranschaulichen eindringlich die Eintönigkeit und Leere des Alltags. Der Wunsch nach Zärtlichkeit und Ausleben der eigenen Körperlichkeit werden nicht nur durch die Schilderungen sexueller Begebenheiten dargestellt, sondern spiegeln sich auch in den auf der Bühne stattfindenden Garderobenwechseln und Ankleideszenen wider. Es entsteht so ein Bild einer durch Vereinsamung, sexueller Frustration, immer wiederkehrender Rebellion und Ausbruchsversuche charakterisierten psychischen Situation einer Frau.

Claudia Jokisch

Bis 16. Oktober täglich außer montags, jeweils 20 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen