: Pinochet „No“
■ Die Entmachtung des Militärs muß folgen
Nun ist Pinochet von seinem eigenen Machtkalkül eingeholt worden. Die Durchführung eines Plebiszits über den Präsidentschaftskandidaten war ja nicht eine Konzession an eine starke Opposition, sondern ein Auftrag der Verfassung, mit der Pinochet und die Militärs 1980 ihre Herrschaft nicht nur absichern, sondern auch verewigen wollten. Die Opposition hat bis vor einem Jahr dieses Plebiszid abgelehnt und freie Wahlen gefordert. Mit ihrem Sieg an den Urnen hat sie nun trotzdem eine Bresche für eine andere Zukunft geschlagen. Gerade weil die Militärs höchstselbst Pinochet zu ihrem Kandidaten gekürt haben und weil an ihren Händen nicht weniger Blut klebt als an seinen, könnten sie gute Gründe finden, ihn fallenzulassen. Er droht sie selbst in den Strudel seiner Niederlage mit hinein zu reißen. Und wie sollen sie einem Volk einen Präsidenten auch nur für ein Jahr lang vorsetzen, den es ausdrücklich abgelehnt hat?
Das von den Christdemokraten beherrschte politische Zentrum tut nun in dieser Situation alles, um das Militärs freizusprechen von der tausendfachen Schuld. Es schiebt alles Pinochet in die Schuhe, der die Armee ihrem Zweck entfremdet habe. Man will ja schließlich nicht mit Mördern, sondern mit Ehrenmännern verhandeln. Doch auch wem ein solcher Deal zutiefst zuwider ist, kommt um die Frage von Verhandlungen mit den Militärs nicht herum. Es sei denn, er setze auf deren Ausschaltung. Doch der bewaffnete Kampf ist in einem Land, in dem die demokratische Tradition tiefer verwurzelt ist als in der Bundesrepublik, eine Schimäre. Chile ist auch nicht Mittelamerika.
So kommt es vor allem darauf an, aus welcher Position heraus man mit den Militärs verhandelt und mit welchem Ziel. Und hier scheidet sich die Opposition, die im Kampf für das Nein zu Pinochet letztlich so einmütig und erfolgreich zusammengehalten hat. Während das Zentrum auf ein Gentlemen's Agreement hofft, will die Linke auf Basis einer Massenmobilisierung in Verhandlungen ziehen. Was das Ziel betrifft, ist man sich zumindest einig, daß die Demokratie wiederhergestellt werden muß; doch ohne die Abschaffung der Verfassung dieser Diktatur, die das Plebiszit heraufbeschworen hat, die vor allem aber jeden gewählten Präsidenten und jedes gewählte Parlament unter militärische Kontrolle stellt, wird es in Chile keine Demokratie geben. Das Problem besteht also darin, mit den Militärs deren eigene Entmachtung auszuhandeln. Das ist mit Pinochet als Staatspräsident ein Ding der Unmöglichkeit. Zu sehr ist der Diktator von seiner historischen Mission, Chile vom Marxismus zu befreien, überzeugt.
Thomas Schmid, Santiago de Chile
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