: Bremer in der Türkei gefoltert
Buchhändler Ahmed Güler nach 15 Tagen Isolations-Haft jetzt im Gefängnis in Ankara / Eltern wieder freigelassen / Offizielle Anklage wegen Fluchthilfe / Türkeis Präsident Evren bald bei Weizsäcker ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf
Stromstöße am Mund, an Fuß-und Fingernägeln und an den Hoden, Knüppel-Stöße in den After, Druckwasser am Unterleib
-sieben Tage lang ist der Bremer Buchhändler Ahmed Güler in türkischer Polizei-Haft schwer gefoltert worden. Jetzt konnte er zum ersten Mal seit seiner Verhaftung am 20.September mit einem Anwalt sprechen.
Er habe deutliche Zeichen der Folterungen gesehen, berichtete Gülers Anwalt nach dem Gespräch am Mittwoch einer Bremer Solidaritäts-Delegation, die sich seit dem 29.September vor Ort für den verhafteten „deutschen Türken“ einsetzt.
Die türkische Staatsanwaltschaft hat Ahmed Güler inzwischen offiziell wegen „Fluchthilfe“ angeklagt. Er soll bei dem spektakulären Ausbruch von 18 zum Tode verurteilten Gefangenen aus dem Knast in Kirshehir geholfen haben. Der Staatsanwalt will außerdem prüfen, ob Güler auch die Zugehörigkeit zu einer verbotenen Organisation vorgeworfen werden kann. In Fortsetzung auf Seite 2
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jedem Fall droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.
Gülers Anwalt und seine Bremer Freunde fürchten, daß die türkischen Behörden den eigentlichen Prozeß lange herauszögern werden. Denn bisher wurden erst sechs der 18 Ausbrecher von Kirshehir wieder gefaßt, und es ist zu erwarten, daß die Staatsanwaltschaft gegen alle Beteiligten zusammen einen spektakulären Sammelprozeß veranstalten will.
Trotz der schweren Folter habe Ahmed Güler psychisch einen guten Eindruck gemacht, teilte sein Anwalt mit. Besonders gefreut habe Güler sich über die schnelle und große Unterstützung aus Bremen. Seit Mittwoch befindet er sich nun in regulärer Untersuchungshaft in einer Gemeinschaftszelle. Erfahrungsgemäß droht ihm dort keine Folter mehr.
Ahmdes Eltern, Mustafa und Seher Güler, die mit ihm zusammen verhaftet worden waren und bereits am Montag wieder freigelassen wurden, traten gestern die Rückreise nach Bremen an. Ein Teil der Bremer Solidaritäts-Delegation wird dagegen nach Mersin weiterreisen.
Dort sitzt der Münchener Oguz Lüle in Untersuchungshaft, dem ebenfalls Beteiligung an dem Gefängnis-Ausbruch von Kirshehir vorgeworfen wird. Marieluise Beck-Oberdorf, Grünen -Bundestagsabgeordnete und Mitglied der Solidaritäts -Delegation, will eine genaue Schilderung ihrer schlechten Erfahrungen mit den türkischen Behörden sowie der Verhaftung und Folter Ahmed Gülers an Bundespräsident Weizsäcker schicken, damit er rechtzeitig zu dem Bonn-Besuch seines türkischen Kollegen Evren informiert ist. „Es geht nicht an, daß hier ein Staatspräsident empfangen wird, der die politische Verantwortung dafür trägt, daß in seinen Gefängnissen gefoltert wird,“ so Beck-Oberdorf gestern.
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