: Seelische Nöte?
■ betr.: taz vom 23.9.1988
Ihr Artikel über ein Konzept: Gewerkschaftsnahe Beratungsstelle für Arbeitslose im Lande Bremen, wird mit folgender fetter Überschrift angekündigt: 13 Stellen für Arbeitslosen-Psyche. Auch im folgenden Text wird der Eindruck erweckt, der in Rede stehende Entwurf habe als Thema ausschließlich die „seelischen Nöte der Arbeitslosen“. Dieser Eindruck ist falsch und die Überschrift ist unwahr! Richtig ist vielmehr, daß wir ein integriertes Konzept vorschlagen (Rechts-, Alltags-und Bildungsberatung). Für die Alltagsberatung (bei Ihnen: „Arbeitslosen-Psyche“) sind nicht 13, sondern 3 Stellen vorgesehen. Als Mitautor des Entwurfs und als jemand, der seit Jahren im Rahmen politischer Bildung mit den konkreten Problemen der Arbeitslosigkeit und den konkreten Problemen beim Aufbau solidarischer Hilfen vertraut ist, muß ich fragen: Ist nur an einen reißerischen Aufmacher gedacht worden oder ist das Ganze ein Trick? Die Frage muß Ihnen gestellt werden, denn Sie vermitteln den Eindruck, als ginge es nicht um konkrete Hilfen, sondern um eine „Psycho-Kiste für Arbeitslosen“. Dies widerspricht nicht nur dem Konzept, sondern fördert sattsam bekannte Vorurteile und ist darüber hinaus geeignet, den Aufbau einer Beratungsstelle für arbeitslose Arbeitnehmer in Mißkredit zu bringen. Ist diese Wirkung des Artikels übersehen worden oder war sie gewollt? Richtig ist jedenfalls, daß ernsthaft darüber nachgedacht wird und daß ernsthafte Bemühungen bestehen, ein Modell von gewerkschaftsnaher Unterstützung für arbeitslose Arbeitnehmer auf die Beine zu stellen, das bundesweit Vorbildfunktion hätte. Und richtig ist ebenso, daß hierfür ein differenziertes und praxisbezogenes Konzept vorliegt. Ich kann nur hoffen, daß diese positive Entwicklung in Bremen nicht in einem Netz von Halbwahrheiten, Partikularinteressen und schlichtem Unwissen steckenbleibt. Schließlich hätte ich mir in bezug auf die TAZ gewünscht, Sie auf der Seite derer zu wissen, die sich nicht an den alltäglichen Skandal der Massenarbeitslosigkeit gewöhnen wollen. Hierfür hätte im gegebenen Zusammenhang eine sachlich richtige Information ausgereicht.
Mit freundlichen Grüßen Theo Jahns
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen