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Gott will Jungfrauen und Mütter

Der Apostolische Brief „Mulieres dignitas“ (Über die Würde der Frauen) wird in Italien zu Unrecht als „feministischer“ Aufbruch gefeiert. Die Berufung der Frauen bleibt: sich verschenken und dienen  ■  Aus Rom Werner Raith

„Recht viel weiter“, murrt Jose Ramos Regidor, einer aus den Reihen der Befreiungstheologen, „können wir nicht mehr heruntersinken: nun feiern die diesen Papst schon, nur weil er der Frau auch noch ein bißchen 'Würde‘ zuerkennt.“ Und die Vatikanologin Ida Diminijanni entsetzt sich: „Jetzt schreiben die dem glatt noch den Aufbruch in den Feminismus zu - irgendwie steht die Welt auf dem Kopf.“

„Die“, das ist die in- und ausländische Presse. „Der“, das ist Johannes Paul II. mit seinem neuesten Bravourstück „Mulieres dignitates“, über die Würde der Frau. In der Tat: das ist derzeit ein Singen und Jubilieren um den Vatikan herum, und nicht nur dort, als hätte Karol Wojtyla plötzlich die Antibabypille freigegeben, die Ehescheidung legalisiert, den katholischen Basisbewegungen ein Amtszimmer in Sankt Peter eingerichtet und den Kommunisten den Zugang zum Paradies versprochen. Sogar Domenico Del Rio, seit zwei Jahren wegen vatikankritischer Artikel aus dem Papstflugzeug ausgesperrt, geriet geradezu ins Schwärmen: „Welch anderer Text von solcher Autorität hat sich je so um die Verteidigung und das Lob der Würde der Frau bemüht?“

Wer die 115 Seiten des Apostolischen Briefes (ein Lehrdokument knapp unter der Ebene einer verbindlichen Enzyklika) liest und danach mit den Lobpreisungen durch die Presse vergleicht, kommt aus dem Staunen nicht heraus besonders, wenn man die neun Kapitel nicht nur von vorne nach hinten, sondern auch von hinten nach vorne liest: da nämlich fällt so ziemlich alles, was die Jubel-Exegeten vorne in das Schriftstück hineinlesen, hinten wieder raus. So befaßt sich das zweite Kapitel (das erste bezieht das Schreiben auf das eben beendete Marianische Jahr) mit der „Mutter Gottes“ - und da saugen die erfreuten Kommentatoren denn schon beträchtlichen Honig heraus: nicht nur Mutter des Menschen Jesu ist Maria für den Papst, sondern gleichzeitig auch Lebensgeberin Gottes. In der Tat ein bisher in der Theologie entweder ausgespartes, vernebeltes oder widersprüchlich behandeltes Kapitel, das „Mulieres dignitates“ eindeutig zu beantworten scheint. Scheint - denn im folgenden vierten Kapitel stopft sich der Papst so ziemlich alles wieder in den Mund zurück. „In einem beachtlichen Slalom“, wie der Ex-Jesuit Filippo Gentiloni bemerkt. Da nichts um den Bibel-Spruch „das Weib sei dem Manne untertan“ herumführt und der Apfel dem Mann eben vom Weibe gereicht worden ist, hat Wojtyla eine geradezu abenteuerliche Verrenkung erfunden, um alles doch noch zu lösen: Mann-Frau und Frau-Mann seien im Grunde eines vor Gott, nicht zweierlei, und daher auch nur in der Vereinigung Mensch. Adam also mitschuldig am Sündenfall, und herrschen darf er auch nur, wenn er sich danach mitverantwortlich fühlt.

Jungfrau oder Mutter?

Was an dieser Stelle noch wie theologische Spitzfindigkeit aussieht, wird dann in den beiden letzten Kapiteln, Nummer VII und VIII, fast zwanglos wieder zurückgedreht: da nämlich wird die Einheit der beiden doch wieder aufgedröselt, wird ein genaues „Innenverhältnis“ dieses vor Gott so einigen Paares bestimmt. Punkt eins (Kap. VIII): Götter können sie zwar offenbar gebären, die Frauen, aber deren Diener am Altar dürfen sie nicht werden. Abgesehen davon, daß Jesus ein Mann war - was man, laut Wojtyla, auf den Zwang zurückführen könnte, daß Gott sich eben für ein Geschlecht entscheiden mußte -, hat „der Menschensohn“ ausschließlich Männer zu Aposteln berufen und damit seinen Willen bekundet, seine Stellvertreter auf Erden diesem Geschlecht entstammen zu lassen. Die Einwände kritischer Theologen, Jesus sei möglicherweise lediglich dem Zeitgeist seiner männlich dominierten jüdischen Gesellschaft gefolgt, wischt Johannes Paul II. weg: Jesus habe sich nie dem Zeitgeist angepaßt, sondern stets frei nach seiner göttlichen Erkenntnis entschieden. Die Männlichkeit der Apostel sei damit rechtskräftig. Punkt zwei: Die Frau ist sowieso zu anderem da. Nämlich, Kapitel VIII sagt es: sie hat die Rolle des „Sichschenkens„; wobei unausgesprochen dem Mann wieder das „Nehmen“ zufällt.

Oder: im Kapitel IV. beschreibt der Brief die Rolle der Frauen im Evangelium: wieder ein Abschnitt, der an eine Revision der kirchlichen Einstellung denken läßt, zudem „Mulieres dignitates“ (Kap. V) auch anprangert, daß „in vielen Fällen Frauen, und diese alleine, für Vergehen bezahlen, die auch vom Manne mitverschuldet sind“. Doch dann legt der Papst die Frau, im folgenden Kapitel, wieder auf genau jene Rollen fest, die eben das Desaster verursachen Junfräulichkeit und Mutterschaft.

Geniale Pressekampagne

Nur in diesen beiden Lebensweisen „erfüllt“ sich für den Papst und seinen Leibtheologen Kardinal Ratzinger die Bestimmung der Frau; ein Drittes existiert nicht. Und ganz selbstverständlich ist bei der Mutterschaft auch noch der gültige Trauschein und die lebenslange eheliche Verbundenheit vorausgesetzt. Kein Wort über die sozialen Bedingungen, in denen Frauen leben - ausdrücklich betont „Mulieres dignitates“, daß dies nicht der richtige Ansatz sei: man müsse anthropologisch-theologisch vorgehen. Kein Raum für nichtverheiratete Mütter, kein Wort über Frauen, die einen Beruf und nicht Mutterschaft oder Jungfräulichkeit als innerweltliche Berufung empfinden. Die Fage ist, wieso dieses Dokument soviel Enthusiasmus hervorruft, so daß sogar sonst vatikankritische Frauen wie etwa die Journalistenverbandspräsidentin und Kommunistin Miriam Mafai oder die Schriftstellerin Maria Antoinetta Macciocchi in Begeisterungsstürme ausbrechen und „enge Berührungspunkte mit dem Feminismus der Geschlechterdifferenzen“ herauslesen?

Tatsächlich ist die Presse - und nicht nur die italienische - zum großen Teil wieder auf einen alten Trick des Vatikan hereingefallen (das päpstliche Presseamt gilt nicht umsonst als eines der gewieftesten der Welt): bereits vor zwei Monaten hatte der Papst „etwas“ zur Frauenfrage angekündigt. Da war man gespannt - oder auch nicht, denn was sollte dieser Papst schon dazu zu sagen haben. Dann „sickerte“ durch, es werde auch diesmal keinen Zugang zum Priesteramt für Frauen geben, wie bereits in früheren Nachkonzilsentscheidungen festgeklopft. Also wetzten die papstkritischen Kommentatoren ihre alten Messer, um diese Regelung wieder mal anzugreifen. Dann veröffentlichte das Presseamt drei Tage vor dem Apostolischen Brief Auszüge aus dem Schreiben, und, welch Zufall, just jene, aus denen man angeblich eine „neue“ Wertung der Frau ersehen konnte: schon ließen die Kritiker erstaunt ihre Federn sinken. Schließlich wies Kardinal Ratzinger dann bei der endgültigen Vorstellung des Dokuments darauf hin, daß die Priesterfrage „nur zwei der 115 Seiten beanspruche“, sozusagen eine Marginalie sei, ohne besondere Bedeutung. Und prompt machten sich die versammelten Journalisten nicht mehr daran, das Dokument selbst Wort für Wort zu studieren, sondern nur die vom Presseamt verbreiteten Kurzfassungen zu kommentieren. Als aufmerksameren Experten dann bei genauer Lektüre die Haare zu Berge standen, war es zu spät - die Kampagne war gelaufen. Wojtyla und Ratzinger haben mit ihrer Lehrfibel die Theologie ein weiteres Mal zurückgedreht und dennoch erstmals fast unisono eine positive Presse erhalten - auch bei der atheistischen Linken.

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