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„Party“ mit Gas und Schlagring

■ Ausländerfeindlichkeit und Lust an der Randale: In der Innenstadt von Hannover gehen immer wieder samstags Skins auf türkische Jugendliche los

Samstagabend in Hannovers Innenstadt. Zwischen „ihrer“ Diskothek, dem „Checkers“, und einer Mac Donalds-Filiale, die den Nachschub mit Dosenbier garantiert, lungern ein paar Hundert Jugendliche herum. Nett und adrett die meisten. Den Ton aber geben ein paar Kurzgeschorene an, der harte Kern der Skinheads. „Nix wie los“, sagt ein Glatzkopf mit Trench und Schirm. „Ich will aber heut noch ein paar Türken klatschen“.

Die türkischen Jugendlichen stehen gut zweihundert Meter davon entfernt. Sie treffen sich vor „ihren“ Spielhallen rund um das Steintor, Hannovers Pornoviertel. Vor Daddelhallen warten auch sie darauf, daß endlich etwas passiert. Klappmesser schnappen auf und zu. Einer läßt eine Kette mit kleinen Klingen kreisen.

Die Kampfhähne - und nicht wenige „Hennen“ - trennt nur ein Großaufgebot der Polizei. Seit vier Wochen spielen Skins und Türken hier Krieg. Mit Base

ballschlägern und Latten bewaffnet, stürmen die Skins mit „Ausländer-raus„-Rufen auf die jungen Türken ein. Die treten ihnen mit Messern und Schlagringen bewaffnet entgegen. An einem der vergangenen Wochenenden fielen bereits Schüsse aus Gaspistolen.

„Auseinandersetzungen rivalisierender Jugendgruppen“ heißt das im Polizeibericht. Für viele aber ist es eher Ausbruch verbreiteter Ausländerfeindlichkeit. Die Skins wollen keine Ausländer in den Lokalen, die sie besuchen. Die türkischen Jugendlichen wollen überall in der Innenstadt hingehen können. Der Übergang vom harten Kern der Skinszene zum rechtsradikalen Lager ist fließend. Immer wieder versuchen Neo-Nazis, im Lager der Skins Nachwuchs anzuwerben. Und im Umfeld der harten Skins sind aus Langeweile, Gleichgültigkeit und dumpfem Haß auf Ausländer, Punks und Linke offenbar immer mehr Jugendliche

zur Gewalt bereit. Insgesamt hat die Polizei bisher mehr als siebzig Jugendliche vorübergehend festgenommen.

In die Gruppe vor dem „Checkers“ ist inzwischen Bewegung gekommen. Irgendwo tut sich irgendetwas. Wer „Bock auf Prügel“ hat, rennt los. Doch es war nur falscher Alarm. Ein Trupp setzt sich in Richtung Spielhallen in Bewegung. Unterwegs werden Steine von einer Baustelle eingesteckt. In der Georgstraße treffen Skins und Türken dann aufeinander. Doch die Polizei ist schon da. Das Katz-und-Maus-Spiel endet mit Ausweiskontrollen und Durchsuchungen.

Taktik der Polizei ist es, „jeden Verdächtigen zu kontrollieren, Waffen sicherzustellen und notfalls die Leute festzunehmen“. Sie kann nur versuchen, die Gruppen zu trennen. Auch die Mitarbeiter des Jugendamtes der Stadt sind machtlos. Die Fehler liegen für viele in der Vergangenheit. „Die Arbeitsgruppe Jugendliche

Täter der Polizei ist stärker besetzt als die Straßensozialarbeit des Jugendamtes“ lautet die Kritik.

In der Georgstraße ist eine Gruppe türkischer Jugendlicher von der Polizei umstellt und wird kontrolliert. „Die sollen doch froh sein, daß sie überhaupt hier sein dürfen“, versucht eine Passantin anderen, die stehen geblieben sind, ein Gespräch über „böse Ausländer“ aufzuzwingen. Bis zu 500 Schaulustige sahen sich vor zwei Wochen die Keilerei in der Innenstadt an. Nicht wenige feuerten die Skins mit „Ausländer raus„-Rufen an.

„Los, laß uns nach Hause gehen“, sagt einer, der offenbar das Kommando hat, als die Kontrollen vorbei sind. Auch vor dem „Checkers“ lichten sich die Reihen. Als die Gruppe der Türken in Polizeibegleitung an einigen Skins vorbeigeht, ruft ein junges Mädchen: „Die Party ist noch nicht vorbei“.

Romanus Otte / dpa

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