SCHLACHTENBUMMEL

■ Das Ex-IWF-Team unterwegs: Von AAA über ALF zu BML

Los gehts!“ (Radio 100 Motto) Die drei Großveranstaltungen Automobil-Ausstellung, Alternativ-Party und Marathonlauf waren nicht nur qua Raumzeit-Kontinuum 'Wochenende‘ verbunden. Die Marathon-Massen verwiesen auf die Automesse, indem sie exemplarisch vorführten, daß und wie beim Verzicht auf moderne Fortbewegungs-Technologie nicht nur die Verkehrsströme zusammenbrechen, sondern auch - reihenweise die Aktivisten. Pro Läufer wurden durchschnittlich sechs Helfer benötigt: damit läßt sich natürlich keine besonders luzide Lokallogistig lozieren, trotz der zahlreichen „Tümler -Sportenergie für die ganze Familie„-Stände am Straßensaum. Die Automobilmesse hingegen nahm Bezug auf die AL-Party. Gaby M. (28) z.B., die beim AAA-Zahlenquiz des „Radio in Berlin“ aus Halle2 ein BMW-Wochenende mit dem neuen CS 445 gewann, erklärte spontan, sie wolle sich damit ihren Fitnesstraum - ein Kurztrip zur Harz-Herbstwanderung um den Großen Ökopreis von Goslar - erfüllen. In Halle 10 agitierte die Chefvertreterin von Westfalia-Wohnmobilen für die AL -Aktion „Nachttaxi für Frauen“, indem sie für die Pressefotografen vor einem kugelsicheren Modell in lila posierte. „Der Trend“ gehe in Richtung Permanenztransport, „weil die öffentlichen Orte für Frauen immer öder werden“, meinte sie. Schon jetzt gäbe es ganze Mädchengruppen, die sich samstagabends stundenlang um den großen Stern kutschieren liessen. Ähnlich verhielte es sich mit den Surfern, die zusehends das Wohnmobil als Erstwagen und Hauptwohnsitz nutzten - ohne Surfambitionen, da die Gewässer ohnehin meist gesperrt seien.

Bei der hauptsächlich von Radfahrern gewählten AL herrschte am Samstag im Tempodrom aufgeräumte Aufbruchstimmung („Ab gehts!“ so der neue Spontanhit des Kabaretts 2/3). Wie ein Rudower Alt-Alternativer an der Anrichte gestand, sei vor allem der Strauß-Tod und die Lambsdorff-Wahl für die gute Party-Stimmung verantwortlich: „Damit schaffen wir die 5 -Prozenthürde überall: ohne Strauß brauchen viele CDUler nicht mehr heimlich FDP zu wählen und mit Lambsdorff gibt es in unserem Spektrum keine Abwanderung zur FDP mehr - damit sitzen wir als die neuen Liberalen sicher im Sattel der Neunziger.“

Während die Lokalpresse, allen voran die taz, sich mit der AL freute, war die ausländische Presse primär wegen des Marathonlaufs der 16.000 (Motto: „Aufgeben ist keine Schande, wenn es zu anstrengend wird“) angereist. Favoriten waren, wie im Jahr zuvor auch schon, „die Tansanier und die Polen“. Letztere sind auch die Kompetentesten auf der Automobil-Ausstellung. Wer in dieser Stadt einen guten KFZ -Reparateur braucht, wendet sich an einen Polen. Für deutsche Mittelklase-Wagen gibt es allerdings auch noch eine Reihe türkischer Mechaniker mit Fingerspitzengefühl (im Englischen „black thumb“ genannt).

„Gemessen an der Zahl der Verletzten und Toten sind Marathonläufe gefährlicher als Avus-Rennen,“ erzählte uns Suleyman, Mitglied eines Neuköllner Manta-Vereins, am Opelstand.

Und am BMW-Stand schimpfte ein Stauberater über die „ALternativ-Velodioten“, die nicht aus Not, sondern aus Umweltschutzgründen Rad fahren: „Die kompensieren damit nur ihr schlechtes Gewissen wegen ihrer Karriere, indem sie sich als tendenzielle Verlierer in den Straßenverkehr begeben, und dort Unfälle geradezu herbeibefürchten, weswegen sie auch bei jeder kleinsten Behinderung völlig hysterisch und überzogen reagieren.“

In Halle 7 werden vor allem Diebstahlsicherungs-Geräte angeboten: Auto-Radios, die bei unbefugtem Ausbauen explodieren, Lenkräder, die sich dem Automarder beim Kavaliersstart in den Brustkorb bohren... aber auch Nahkampf -Paraphernalia: wie Gummipuffer, Sirenen, Blend-Spots, sowie ausfahrbare Hieb- und Stich-Waffen - als „Erste Hilfen“ gegen allzu immobile Verkehrspartner.

Letztere hatten - als Mitläufer - auch auf dem Marathon -Parcours nichts zu lachen: Beim Wilden Eber und am Steglitzer Bierpinsel beispielsweise peitschten die frenetisierten Zuschauermassen (unterstützt vom SFB-Marathon -Sender) mit Laufabbruch liebäugelnde Läufer derart an, daß diese wider besserer Eigeneinschätzung weitertorkelten. „Die Wende-Perle 'Mehr Leistung zeigen!'- ist bei diesen regenschirmausgerüsteten fetten Zuschauer-Schweinen anscheinend auf fruchtbaren Boden gefallen“, schimpfte ein Linksradikaler aus Loccum laut, nachdem er als 14.232. durchs Ziel gekrochen war.

Sieger wurde ein Rollstuhlfahrer - dessen Gestühl die Firma Sonnenschein mit einem Spezial-Turbo-Elektromotor ausgerüstet hatte. Aber auch der erste Läufer war präpariert: mit einem dreigängigen Herzschrittmacher von Heckler & Koch.

Die meisten Teilnehmer hatten sich jedoch - autark - auf den gängigen Trimm-Pfaden fit gelaufen. Was wiederum für die deutschen Wälder und Parkanlagen nicht ohne Folgen geblieben ist: Wie Umwelt-Experten klagen, hat die ausgeuferte Jogging -Bewegung bereits ganze Landstriche in Mitleidenschaft gezogen.

Allerdings scheinen die unsportlichen Umweltschützer selber auch nicht viel besser zu sein: an der Sektbar auf der AL -Fete war der Ausbau der Radwege Hauptgesprächsthema. Auf der AAA wurden natürlich wieder vehement „Breitere Autobahnen“ gefordert. Besonders aberwitzig klang die Idee eines „Auto-Bild„-Redakteurs, der Sonderspuren für Geisterfahrer forderte, analog zu den Prominentenfahrstreifen in der „Ostzone“. Überraschend aber immerhin das auf der selben Diskussion in Halle22 vorgestellte Ergebnis einer Langzeit-Untersuchung, nach der es sich bei 84 Prozent aller Geisterfahrer um Altnazis handele, deren rückhaltloser Mut, obwohl sie andere Verkehrsteilnehmer gefährden, von 91 Prozent der Bevölkerung klammheimlich bewundert werde. Dies würde sich insbesondere bei imponierdefizitären Ersttätern häufig motivationsverstärkend auswirken. Es gibt so gut wie keine Frauen unter den Geisterfahrern.

Damit geben wir wieder zurück an die quotierte Wattstraße.

Vogel/Höge/Rommel