: Der Tod - nur Rädchen im Betriebe
■ Einsames Sterben: Krankenhäuser sind nicht auf den alltäglichen Tod vorbereitet / Ärzte scheuen die Aufklärung der Totkranken / Überfordertes Pflegepersonal wird mit den Sterbenden allein gelassen /
Schöne helle Farben und angenehme Aufenthaltsräume mit viel Grünpflanzen. Wie ein Hotel sind die Geburtssäle eingerichtet. Normale Schlafzimmer, in sanften Farben, mit einem niedrigen Doppelbett und einer großen Badewanne in der Ecke. Das medizinische Gerät, das im Notfall gebraucht wird, ist hinter Schranktüren versteckt. Nichts erinnert an ein Krankenhaus. Alles ist so eingerichtet, daß Angehörige, zumeist der Vater, bei der Geburt des Kindes dabei sein können.
Graue Flure, eine hektische Station. Dort ein Krankenzimmer, kahle Wände. In einer solchen Umgebung beenden mehr als zwei Drittel der Menschen, die in Bremen sterben, ihr Leben, mehr als 5.000 jedes Jahr. Sterben wird aus dem Leben verdrängt, auf die Institution Krankenhaus abgeschoben. Es ist zumeist ein unwürdiges Sterben. Menschen sterben auf dem Flur, im Ärztezimmer, manchmal auch im Badezimmer. Bis auf den Kühlraum und die Pathologie ist für das Sterben im Krankenhaus nichts organisiert.
Das Krankenhaus ist darauf
eingestellt, Menschen zu retten, zu heilen und zu pflegen. Sterben bedeutet für die Medizin immer ein Scheitern und wird deshalb verdrängt. Tod und Sterben sind lästig, Trauer ist nicht angesagt, muß weggeschoben werden.
Wenn er Glück hat, kümmern sich Angehörige um den Sterben
den und erkennen, wann die Aufgaben der Schwestern und Pfleger beendet sind. Auf den Stationen gibt es aber keine Möglichkeiten, die Angehörigen miteinzubeziehen. Es fehlt an Räumen, in denen sich Angehörige ohne Zeitbeschränkung bei dem Sterbenden aufhalten können. Auf den Stationen
gibt es je ein oder zwei Einzelzimmer, einfache Krankenzimmer mit kahlen weißen Wänden. Sind diese frei, hat der Sterbende Glück.
Die meisten Angehörigen haben jedoch schon mit dem Sterbenden abgeschlossen, wenn sie ihn ins Krankenhaus bringen. Dann müssen Schwestern und Pfleger all das auffangen, was sonst von den Angehörigen geleistet werden soll. Sitzwachen werden nur für Sterbende bewilligt, die ständig überwacht werden müssen. Menschen, die keine Angehörige haben, sterben alleine.
In ihrer Ausbildung werden Schwestern und Pfleger darauf vorbereitet, Menschen zu helfen und zu pflegen. In der Praxis werden sie dann aber ständig mit dem Tod konfrontiert: „Wir müssen immer Stärke und Hoffnung vermitteln und dürfen keine Trauer zeigen, dabei möchte man manchmal am liebsten mit den Angehörigen weinen“, sagt eine Schwester, die in der Inneren Medizin arbeitet. Der Personalmangel läßt bessere Betreuung nicht zu: „Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich mal 15 Minuten zu einem Sterbenden ans Bett setze, weil dann auf der Station alles drunter und drüber geht.“
Auch für Gespräche über den Patienten zwischen Pflegepersonal und Ärzten fehlt die Zeit. Die Ärzte haben die Aufgabe, mit den Patienten und Angehörigen ein klärendes Gespräch zu führen, dem Patienten nahe zu bringen, daß er bald sterben wird. Dafür nehmen sich nur wenige Ärzte Zeit. Die meisten beschränken sich auf die täglichen Visiten und erteilen die nötigen Anordnungen. Sie nehmen die Angst der
Angehörigen, mit dem Sterbenden dem Tod ins Auge zu sehen „Nein, sagen sie es ihm bloß nicht!“ - als Vorwand, den Patienten nicht aufzuklären. Eine Situation, in der die KrankenflegerInnen gefordert werden. Eine Schwester: „Die merken das doch, daß sie bald sterben. Sie stellen Fragen und wir wissen nicht, was wir sagen dürfen. Man fühlt sich da ganz hilflos.“
Roswitha Bünjer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen