Keine Ehe ohne Ehefähigkeitsbescheinigung

■ Der Familienzusammenführung zwischen Ost und West steht nicht nur die Mauer im Wege, sondern auch der Kalte Papierkrieg / Manche Ehe droht am Gang durch die Ämter ganz und gar zu scheitern

Nachdem meine Freundin aus Ost-Berlin und ich uns vor einigen Monaten entschlossen hatten, zu heiraten, rief sie mich kurze Zeit später freudestrahlend an, um mir mitzuteilen, daß unser Wunsch von oben abgesegnet wäre und sie nur noch eine beglaubigte Kopie meiner Geburtsurkunde und eine Ehefähigkeitsbescheinigung von mir bräuchte.

Wunderbar, denke ich, und renne in die Friedrichstraße, stürme unerschrocken in eine der heiligen Amtstuben und erkundige mich, wo ich denn diese beiden Unterlagen erhalten könne. Was eine Ehefähigkeitsbescheinigung ist, weiß die auskunftgebende Beamtin auch nicht, aber sie schickt mich einen Stock höher, nicht ohne mir nachzurufen: „Aber Sie brauchen erst eine Nummer!“ Einen Stock höher ist bereits geschlossen.

Am nächsten Morgen rechtzeitig um acht Uhr stehe ich vor dem Schalter der Abteilung „Auszüge aus dem Melderegister“.

„Ich brauche eine Ehefähigkeitsbescheinigung!“, erkläre ich und halte nach fünf Minuten und fünf Mark einen Computerbogen in der Hand, der mir bestätigt, daß ich noch ledig bin. Um meine Geburtsurkunde beglaubigen zu lassen, müsse ich zum Standesamt, meint der Beamte noch.

„Nein, das darf ich nicht“, wehrt sich die junge Frau dort, „da müssen Sie das Standesamt Ihres Geburtsortes anschreiben; nur die dürfen das!“ Ob es wohl reicht, dort anzurufen, wage ich zu fragen. „Nein, das müssen Sie schon hinschicken. Das dauert höchstens eine Woche.“ Mein anfänglicher Frohsinn beginnt zu sinken. „Na, und wenn ich im hintersten Dorf in Afghanistan oder sonstwo geboren wäre?“

Ich werde nun doch langsam etwas ungehalten. Na, dann würden wir das schon hier machen, entgegnet mir die Frau. Ah ja. Ob ich denn das Original den Behörden in Ost-Berlin aushändigen könnte, und ob ich das denn danach zurückbekommen würde, frage ich abschließend. Da müßte ich einen Stock höher und bei der Aufgebotsbestellung nachfragen.

Wieder einmal einen Stock höher, ich will gerade meine Frage bei dem dort offenbar zuständigen Herrn loswerden, rauscht eine forsche Mittdreißigerin in den Raum und ruft: „Sie müssen sich erst eine Nummer holen...“

„Ja, aber...“ versuche ich einzuwerfen. „Sie wollen doch bestimmt ein Aufgebot!“ „Nein“, entgegne ich, „ich hab nur...“ „Was wollen Sie dann? Zeigen Sie doch mal her.“ Ich bringe endlich mein Anliegen vor. Ja, am Tage der Hochzeit würde ich die Originalurkunde zurückbekommen, meint sie daraufhin etwas freundlicher, aber ich bräuchte in jedem Fall ein EFZ.

„EFZ...?“ „Ein Ehebefähigungszeugnis!“ Ich zeige ihr stolz meinen Computerausdruck der Meldestelle. Etwas mitleidig belehrt sie mich, das sei doch kein EFZ, sondern nur eine Bestätigung der Meldestelle über meine aktuellen Daten. Inzwischen bin ich schon etwas verwirrt.

„Nein, ein EFZ bekommen Sie nur von uns! Da müssen Sie sich aber erst eine Nummer holen!“ Ich gebe mich geschlagen, begebe mich in den Warteraum und ziehe die Nummer Zwölf. Nach etwa einer Stunde, mehrmaligem Nachfragen und dem Hinweis, ich müßte zur Arbeit, werde ich vorgelassen.

Der bemühte, aber sichtlich überforderte Beamte schiebt mir unverzüglich ein graues Formular hin. „Dat müssen Se erst einmal ausfüllen, dat kostet 30 Mark, und dann wieder vorbeibringen.“ Ob ich es denn nicht hier gleich ausfüllen kann, frage ich. Nein, das ginge nicht, ich bräuchte ja noch einige andere Urkunden. Ich zeige mich etwas irritiert, ich dachte, ich hätte bereits alles. „Wat Se schon hamm, beachten Se eenfach nich“, meint er und zählt mir auf, was noch beizubringen wäre.

Die Geburtsurkunde von 1959 wäre schon zu alt, da bräuchte ich eine neue. Ich entgegne, daß sie ja wohl kaum jünger sein kann als ich. „Ja, aber da hätte sich ja in der Zwischenzeit etwas ändern können.“ Ich denke mir, außer daß ich gestorben sein könnte, was meines Wissens nicht geschehen ist, sich wohl kaum etwas an meiner Geburtsurkunde hätte ändern können, wage jedoch nicht, ihm einen derartigen Einfall zu unterbreiten und höre weiter aufmerksam zu. Ich brauche also eine Abstammungsurkunde (eine erweiterte Geburtsurkunde), einen Auszug aus dem Familienstammbuch meiner Eltern, die Heiratsurkunde meiner Eltern, die Geburtsurkunde meiner Freundin, die Meldebestätigung meiner Freundin, die unerklärlicherweise in Dresden und Leipzig ohne Schwierigkeiten zu bekommen sei, in Ost-Berlin jedoch so gut wie nie, belehrt mich der nette Standesbeamte. Als Staatsangehörigkeit müsse ich bei meiner Freundin „deutsch“ angeben, da die BRD die DDR ja immer noch nicht anerkenne, und die drüben würden das Formular sowieso nicht in die Hände bekommen.

Nachdem er mir noch einige weiße und graue Formulare in die Hand gedrückt hat, entläßt er mich mit den besten Glückwünschen und ich solle doch nächste Woche noch einmal vorbeisehen, dann wäre die ganze Sache in ein paar Wochen erledigt und ich könnte meiner Freundin die Formulare nach Ost-Berlin bringen.

Bis heute sind wir noch nicht verheiratet.

sim