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Geschmacklos-betr.: Foto auf Seite 1, taz vom 3.10.88

betr.: Foto auf Seite 1,

taz vom 3.10.88

Scheiße, das FJS-Bauch-Foto in der heutigen taz. Geschmacklosigkeiten wie diese, passieren euch leider öfter mal. Versucht doch bitte mal, dem Mitleid mit leidender Kreatur auch dann Ausdruck zu geben, wenn es ein Gegner ist, der da krepiert.

Volker Brieda, Kassel

(...) Auch ich halte die Politik eines Franz-Josef Strauß für außerordentlich gefährlich. Auch ich halte die Jägerideologie für einen Rückfall in die mittlere Altsteinzeit. Aber in der Stunde, in der ein Mensch mit dem Tode ringt, sich über die Gestalt seines Leibes zu belustigen, ist nicht nur unpolitisch und geschmacklos: Es zeigt, daß dem Verfasser und dem Redaktionskollegium jedes Gefühl für den Ernst des Lebens fehlt. Wenn so mit der ernstesten Stunde im Leben eines Menschen umgegangen wird, wie kann ich darauf hoffen, daß ein Sinn für den Ernst der Stunde im Leben der Menschheit auch nur in Rudimenten vorhanden ist? Wie kann ich einer Urteilskraft vertrauen, die sich in ihrem eigenen Berufsgebiet als so unfähig erweist, daß ein solcher 'Bild'-würdiger Aufmacher herauskommt?

„Der Mensch lebt durch den Kopf“, schreibt Bert Brecht, „der Kopf reicht ihm nicht aus...“ Er hat bestimmt nicht gemeint, daß es ein Ausweg ist, sich statt dessen nur noch mit seinem Bauch und mit anderer Leute Bäuchen zu befassen.

Natürlich kann ich verstehen, daß der politische Mißbrauch des großen C im Namen von Parteien und manchen kirchlichen Organisationen zu dem Glauben führt, auf alles dreinschlagen zu müssen, was sich etwa, und meist ja zu Unrecht, christlich nennt. Die Art, wie die taz es tut, könnte den Verdacht aufkommen lassen, sie wäre längst selbst von diesen Organisationen unterwandert und gekauft und brauche Weihnachtsporno, Osterkannibalismus und die Bundweite eines schwer kranken Politikers als Alibifunktion.

Wenn es nicht so ist, bleibt nur, daß die taz, die mit Verstand und Aufklärung in einem Zeitalter der Geistesverwirrung angetreten ist, den Kopf völlig verloren oder genauer: den Kopf an den Bauch verraten hat. Tertium non datur (wat dat nu wohl wieder heißen mach? d.sin).

Jürn-Hinrich Volkmann, Berlin 12

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