: Binärwaffenproduktion in USA und Frankreich
„Bedrohungsanalysen belegen eine stetig wachsende Gefahr biologisch-chemischer Kriegsführung weltweit und auf allen Ebenen eines Konfliktes... Solange wir nicht über eine glaubwürdige, offensive Vergeltungskapazität verfügen, könnte uns ein Gegner trotz bester Verteidigungsmaßnahmen Verluste zufügen und zu hinderlichen Schutzmaßnahmen zwingen.“
So heißt es zur Begründung des US-Binärwaffenprogramms in der Zusammenfassung der zahlreichen Hearings, auf deren Grundlage der US-Kongreß derzeit über den Militärhaushalt 1989 berät. Durchgesetzt hat sich damit das Pentagon, das den 1969 von Präsident Nixon verfügten Produktionsstopp für chemische Waffen immer bekämpft hat.
Das Szenario von der Bedrohung in Mitteleuropa durch sowjetische Chemiewaffen ist zwar nicht aufgeben worden, spielt aber heute nur noch eine zweitrangige Rolle. Denn vom großen Chemiewaffenkrieg auf dem europäischen Schlachtfeld gehen die Strategen heute kaum mehr aus - allerhöchstens vom gezielten, begrenzten Einsatz, mit dem die Mobilisierungszeit gegnerischer Truppen wegen der erforderlichen Schutzmaßnahmen um bis zu einem Drittel verlängert werden kann. Vorrangig ist die angenommene Bedrohung von US-Einrichtungen und Truppen außerhalb Europas.
Zu diesem Zweck wurde das Binärwaffenprogramm entwickelt. Insbesondere die derzeit in der Entwicklung befindliche Flugzeug-getragene Big-Eye-Bombe ist zur Drohung bzw. zum Einsatz in jedem Winkel der Welt verwendbar.
Die binären 155-Millimeter-Granaten - seit Dezember 1987 in der Produktion - eignen sich viel besser als die alten Giftgas-Bestände zum „integrierten Schlachtfeld„-Einsatz mit konventionellen, atomaren und chemischen Waffen, wie ihn das Air-Land-Battle-Konzept vorsieht.
Binäre Waffen entwickelt, testet und produziert derzeit auch Frankreich. Mitterrand hat vor der UNO-Vollversammlung nicht - wie vielfach berichtet - die Beibehaltung eines französischen „Sicherheitsvorrates“ von 2.000 Tonnen für die Zeit von zehn Jahren nach Abschluß eines Genfer Verbotsvertrages aufgegeben, sondern lediglich die Absicht, während dieser zehn Jahre weiter zu produzieren. Dieses „Zugeständnis“ ist keines. Bis zu einem Vertrag, falls er je zustande kommt, dürfte Frankreich 2.000 Tonnen moderner binärer Waffen längst produziert haben.
Die Sowjetunion produziert - nach eigenen Aussagen wie nach Erkenntnissen westlicher Experten - bislang keine Chemiewaffen irgendwelcher Form. Wie aus Kreisen ihrer Genfer Delegation verlautet, wird diese Haltung aber „neu überdacht werden, falls die USA über das Jahr 1992 hinaus Binärwaffen herstellen“.
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