: Kampf den Giftstrategen
Jose Lutzenberger, Mitbegründer der brasilianischen Umweltbewegung und alternativer Nobelpreisträger, zu seinem Engagement gegen die Chemiegiganten ■ I N T E R V I E W
taz: Wie kamst Du eigentlich zum Umweltschutz?
Jose Lutzenberger: Als ich 1971 wieder hierher nach Porto Alegro kam, nachdem ich 15 Jahre unter anderem für BASF in der Agrar-Chemie tätig war, mußte ich voller Entsetzen feststellen, daß unsere Wasservögel nicht mehr da waren. Die Gifte in den Reisplantagen und die Anwässer großer Zellstoff -Fabriken hatten eine wunderbare Welt zerstört. Ein Jahr vorher hatte ich bereits bei dem Chemiegiganten gekündigt, da mir bei der Arbeit als Konzern-Delegierter klar wurde, daß ich einen falschen Weg gehe, mich prostituiere.
Du hast den Begriff vom Paradigma geprägt, vom Grundmuster der Agrar-Chemie. Was meinst Du damit?
Mit den Technokraten diskutiere ich nur noch das Paradigma, das ideologische Grundmuster ihres Denkens. Die Herren von der Chemie gehen von einem Feindbild aus. Für sie sind Schädlinge willkürliche und tollwütige Feinde, die es auszurotten gilt. In Wirklichkeit sind die genannten Schädlinge Bio-Indikatoren, die mir zeigen, daß ich in der Pflanzung etwas falsch machte. Ich lasse mich also nicht mehr auf die Frage ein, wieviel Gift nötig ist, sondern vertrete die Position, daß gar kein Gift gebraucht wird.
Du hast die Umweltbewegung in Brasilien mit gegründet. Dein Kampf gegen die Chemiegiganten war sehr erfolgreich, so daß heute schon in Brasilien 40 Prozent weniger Herbizide verwendet werden als noch vor zehn Jahren.
Verantwortlich für diesen Erfolg sind vor allem die Bauern und der bewußtseinsbildende Prozeß, zu dem ich nur einen Anstoß gegeben habe. Mein Kampf in den Medien war sicher wichtig. Ich bin von Anfang an, eben auch zu Zeiten der Militärdiktatur, mit wohlbegründeten Anschuldigungen gegen die multinationalen Konzerne vorgegangen, habe bei Regierungsstellen protestiert.
Was können Umweltschützer in der BRD von euch lernen?
Man darf den Bauern nicht als Umweltverschmutzer angreifen, wie es in Deutschland immer wieder von Umweltschützern geschieht. Er ist doch auch nur Opfer der Giftstrategen.
Interview: Siegfried Pater
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