: SPD-Vogel sichtet Parlaments-Skandal
■ SPD-Fraktionsvorsitzender kritisiert, wie das Gesundheitsreformgesetz im Bundestag durchgezogen werden soll / Gesetz wieder in der Schußlinie / Auswirkungen auf psychisch Kranke erwartet
Bonn (taz) - Als „parlamentarischen Skandal“ bezeichnete der SPD-Fraktionsvorsitzende Vogel die Behandlung des Gesundheitsreformgesetzes durch die Koalition: Da die zweite und dritte Lesung des Mammutwerkes im Bundestag für den 10./11.November angesetzt sei, müsse der zuständige Ausschuß mehr als 500 Änderungsanträge in zwei Sitzungstagen behandeln. Die Beratung des Entwurfs stelle somit „eine Farce dar, die den parlamentarischen Grundsätzen in eklatanter Weise widerspricht“.
Gleichzeitig mit der parlamentarischen Vorgehensweise wurde das Gesetz auch inhaltlich kritisiert. Es werde schlimme Auswirkungen auf die Versorgung psychisch Kranker in der BRD haben, betonten bei einer Pressekonferenz der SPD-Vertreter der Kassenpsychologischen Vereinigung des Berufsverbandes Deutscher Psychologen, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychatrischer Krankenhäuser und des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker e.V.. Vor allem würden die noch im Anfangsstadium befindlichen Ansätze für einen Ausbau gemeindenaher und ambulanter psychatrischer Versorgung voraussichtlich zerstört werden. Nicht die Qualität der Versorgung, sondern die Minimierung der Kosten stünden im Mittelpunkt des Gesetzes: So würde in Kauf genommen, daß PatientInnen auch in weit entfernt liegenden Krankenhäusern behandelt würden, wenn die Pflegesätze dort niedriger seien als in der örtlichen Klinik. Die Berufsverbände der Psychologen kritisierten vor allem, daß die bisher von den Krankenkassen oftmals übernommene Kostenerstattung für die Behandlung durch Psychologen, mit der zur Zeit die Therapie von etwa 30.000 Menschen finanziert werde, in dem Gesundheitsstrukturgesetz wegfalle. Finanziert würden dann nur noch die Behandlung bei psychotherapeutisch ausgebildeten FachärztInnen - bei denen gebe es aber schon heute Wartezeiten von über einem halben Jahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen