: Wettlauf gegen das Gesetz
■ Bundesgrenzschutz schickt zwei Somali nach Mogadischu zurück, obwohl sie ein gültiges Visum haben / Kontaktaufnahme mit Rechtsanwalt verhindert / Leiter des Grenzschutzes: „Das ist unüblich“
„Was wollen Sie hier noch bereden?“. Durch die Gegensprechanlage des Bremer Flughafens kanzelt der Dienststellenleiter des Bundesgrenzschutzes Nietsch den Rechtspraktikanten Albert Timmer aus der Anwaltspraxis Eberhard Schulz ab. Und in der Tat: Zu reden gibt es zu diesem Zeitpunkt fast nichts mehr. Eine Viertelstunde zuvor hatte der Bundesgrenzschutz zwei Somali, die Bekannte in Bremen besuchen wollten, in ein Flugzeug nach Frankfurt gesetzt. Von dort sollen sie weiter nach Mogadischu verfrachtet werden.
Am Mmorgen, als Timmer telefonisch mit dem Bundesgrenzschutz in Kontakt getreten war, hatte sich das noch anders angehört. Der diensthabende Leiter hatte ihm versichert, daß die beiden Somali nicht zurückgewiesen würden, ehe Timmer vorgesprochen habe. Doch jetzt muß sich der Rechtsvertreter mit der Gegensprechanlage begnügen. Seine Bitte, wenigstens die Tür zu öffnen, damit man direkt über die Zurückweisung reden könne, lehnt Nietsch ab.
Die beiden Somali waren am Mittwoch abend mit einer Ma
schine aus London gekommen. Dem Zollbeamten konnten sie ein gültiges Visum vorzeigen, ausgestellt von der deutschen Botschaft in China, wo die beiden studierten. Doch die Zollbeamten wollten Geld sehen. Nach dem Ausländergesetz müssen Einreisende nachweisen, daß sie über genügend Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die 1.200 Dollar, die die beiden vorzeigen konnten, reichten dem Grenzschutz nicht, zumal sie auch kein Ticket für den Rückflug hatten. Dafür hatten sie etwas anderes: Die Adresse des somali
schen Ehepaares Nuur in Bremen, das ihnen angeboten hatte, für einige Zeit kostenfrei bei ihm zu wohnen.
Die Grenzschützer wollen angeblich telefonisch in Erfahrung gebracht haben, daß diese Familie nicht bereit sei, für die beiden Aufenthaltskosten und Rückflug zu bezahlen. Doch sehr genau wollten die Beamten es offensichtlich nicht wissen. Denn als der Ehemann Abdi Nuur um 21.30 am Flughafen erschien, um die Lage zu klären, wurde ihm, nach seinen Angaben, vom diensthabenden Beamten die Tür vor der Nase zugeschlagen.
„Wir sind doch keine Rechtsberatungsstelle“, begründete Nietsch gestern, warum kein Rechtsvertreter zugelassen worden sei. Dies sei zudem nicht „üblich“. Timmer habe außerdem keine Vertretungsberechtigung, unterzeichnet von den Somali, vorweisen können. Kein Wunder, nachdem der Bundesgrenzschutz jede Kontaktaufnahme unmöglich gemacht hatte. Bereits am Mittwoch abend hatte nämlich Rechtsanwalt Eberhard Schulz verlangt die Somali zu sprechen.
Dieses wurde ebenfalls rigoros abgelehnt.
Für Limmer hat sich der Bundesgrenzschutz eindeutig rechtswidrig verhalten. Die Einreisebewilligung sei immerhin von einer deutschen Botschaft ausgestellt worden. Und die Bestimmungen des Ausländerrechtes seien nicht anzuwenden, da das Bargeld der beiden für den Rückflug genügt hätte und für den Aufenthalt die Freunde hätten aufkommen wollen.
Morgen früh wird das Verwaltungsgericht über eine einstweiligen Anorderung entscheiden, mit der versucht werden sol, den Weitertransport nach Somalia noch zu verhindern. Die Maschine startet am Freitag nachmittag. Gelingt dies nicht, erwartet die beiden in Somalia eine ungewisse Zukunft: Sie sind Angehörige der Majerteen, ein Stamm, der von der somalischen Regierung seit einiger Zeit systematisch verfolgt wird. Deshalb waren sie auch direkt aus China nach Bremen gekommen, nachdem ihnen somalische Behörden das Stipendium gestrichen hatten.
hbk
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