: Tauwetter in sino-sowjetischen Beziehungen
■ Deng Xiaoping kündigt Gipfel mit Gorbatschow im nächsten Jahr an / Auch Außenministertreffen wird vorbereitet
Peking (afp/taz) - Der militärische Oberbefehlshaber Chinas, Deng Xiaoping hat gestern angekündigt, er werde im nächsten Jahr mit dem sowjetischen Parteichef Michael Gorbatschow zusammentreffen. Deng hat diesen Zeitpunkt für den ersten sino-sowjetischen Gipfel seit 30 Jahren gegenüber dem finnischen Präsidenten Koivisto genannt, der zur Zeit auf Staatsbesuch in Peking ist. „Wir denken, daß die Zeit für die Vorbereitung eines solchen Gipfels gekommen ist“, äußerte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums gegenüber ausländischen Journalisten, während die chinesische Nachrichtenagentur 'Xinhua‘ hingegen den geplanten Gipfel in ihrem Bericht über das Gespräch zwischen Deng und Koivisto mit keinem Wort erwähnte. Gleichwohl kommt die Ankündigung Dengs nicht überraschend, galten doch schon die einwöchigen Kambodscha-Verhandlungen im August als Vorgeschmack auf einen Gipfel. Deng bestätigte außerdem, daß der chinesische Außenminister Qian Qichen noch vor Ende des Jahres mit seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schwardnadse zusammentreffen werde. China und die UdSSR hatten das Außenministertreffen Ende September angekündigt. Von informierter osteuropäischer Seite hieß es, Qian werde Ende November zum ersten Besuch eines chinesischen Außenministers seit 1956 nach Moskau reisen, sowie einen Gegenbesuch von Schwardnadse gleich zu Beginn nächsten Jahres erhalten. Weiter hieß es, Gorbatschow werde wahrscheinlich in der ersten Hälfte des kommenden Jahres mit Deng in Peking zusammentreffen. Ein genauer Termin für den Gipfel sei noch nicht festgelegt worden, in Betracht käme jedoch der Juni.
Der letzte sino-sowjetische Gipfel hatte 1959 in Peking stattgefunden, als Nikita Chruschtschow Mao Tse-Tung besuchte. Im folgenden Jahr war es mit der sogenannten „Polemik über die Generallinie der kommunistischen Weltbewegung“ zu einem Bruch zwischen China und der UdSSR gekommen.
Eine allmähliche Verbesserung in den Beziehungen beider Länder hatte erst vor sechs Jahren eingesetzt. Peking hatte eine Wiederannäherung stets von einem Einlenken Moskaus in der Afghanistan- und Moskau-Frage sowie der Beilegung von Grenzkonflikten abhängig gemacht. Inzwischen dürfte es China schwer fallen, die Unterstützung der Roten Khmer ebenso konsequent aufzugeben, wie Moskau den Abzug der vietnamesischen Truppen aus Kambodscha betreibt. Überdies hat Gorbatschows jüngster Vorschlag, die Stützpunkte der USA und der UDSSR in Südostasien abzubauen und keine zusätzlichen Nuklearwaffen in der Region zu stationieren, mehr als nur Verhandlungsstaub aufgewirbelt. Auch China will auf das in Schwung gebrachte Abrüstungskarussell noch rechtzeitig aufspringen und Gorbatschows Politik nicht zuletzt gegenüber seinen internen Kritikern stärken. Durch eine Normalisierung seiner Beziehungen zu Moskau könnte auch Peking sich auf die Wirtschaftsreformen im eigenen Lande konzentrieren.
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